Freitag, Dezember 03, 2010

Wenn ER dich einholt...

Ich weiß nicht, von den ein oder anderen mit heutigem Abstand gesehen eher fragwürdigen posts zu irgendwelchen blöden Weibern abgesehen habe ich hier nie wirklich etwas richtig emotionales geschrieben. Aber das heutige Erlebte will ich hier trotzdem niederschreiben. Es ist das Mindeste was ich tun kann, um diesen Stau an Gefühlen ein Ventil zu geben. Zunächst einmal will ich verteidigend sagen, dass mir das Verdrängen von Problemen bis zur Unausweichlichkeit derselben wohl von meinen beiden Eltern anerzogen wurde, vielleicht kann ich also gar nicht so viel für mein Verhalten. Tatsache ist, dass meine Oma (Hammer - für alle Nichtwissenden, bei uns werden Omas zur Unterscheidungshilfe nicht selten durch einen Ortsbezug gekennzeichnet, in diesem Fall ihr lanjähriger Wohnort, die ehemalige Gemeinde und nun Ortsteil von Siegsdorf, Hammer), 84jährig, nicht mehr lange zu leben hat. Heute war auch schon der Pfarrer für die Krankensalbung bei ihr. Was das Ganze aber für mich so dramatisch macht ist, dass ich sie seit ihrem Umzug ins Altenheim - soweit ich weiß anno 2002 - insgesamt vielleicht fünf mal besucht habe, vielleicht war sie während dieser Zeit, als es die Gesundheit noch zuließ, ebenso oft bei uns zu Hause. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, liegt das Altenheim keine drei Minuten Fußweg von uns daheim entfernt. In den vergangenen fünf, vielleicht sechs Jahren hat sich ihre Demenzkrankheit stark verschlimmert. Ich habe mich zwar schon immer mal wieder bei meiner Mutter oder meiner Tante nach ihrem Zustand erkundigt oder er wurde mir, wenn etwas passiert war, etwas sich verschlechtert, seltener auch mal etwas verbessert hat, mir von ihnen zugetragen, aber selbst den Mumm, sie zu besuchen, konnte ich nicht aufbringen. Dass meine beiden Schwestern sich hier nicht besser verhielten, ist auch keine Entschuldigung. Ich rühme mich immer vor mir selbst, dass ich mich für Geschichte des 21. Jahrhunderts interessiere. Als sie vor noch gar nicht so vielen Jahren noch klar war, hätte ich solche, gelebte Geschichte aus erster Hand erfahren können aber nichts habe ich getan. Immer nur verdrängt, dass da ein Mensch, der dir von Kindesbeinen nahe stand wie kaum ein zweiter nun einsam ist und von einem seiner nächsten Verwandten nicht besucht wird. Vergessen, unwichtig, abgeschoben. Immer ist alles andere wichtiger. Der Alltag, die Drecks-Arbeit, der Sandl-Sonntag....hör mir auf.
Als ich vor ca. einem Monat erfuhr, dass sie ins Krankenhaus musste, weil sie eine unerklärliche Blutung hatte, bereitete mich meine Mutter und meine Tante schon darauf vor, dass, wenn ich sie noch einmal besuchen wollte, es wohl nicht mehr allzu viele Gelegenheiten geben würde. Ich plante, dass ich mit meiner Cousine zusammen sie besuchen würde. Weil sie recht schnell wieder aus der stationären Behandlung entließ, wurde daraus nichts. Ich bereingte halbherzig mein Gewissen, weil mein Wille ja schließlich da war. Ich sagte zu meiner Tante, dass ich nun im Altenheim ja wieder Gelegenheit hätte. Nach Ostern 2009, als ich sie zum letzten mal besuchte war ich heute wieder dort mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester Verona, nachdem meine Mutter mir sagte, dass es wohl bald mit ihr zu Ende gehen würde. Eigentlich wollte mich meine Mutter eher schützen und meinte, dass es wohl gar nichts bringen würde und dass es sicher keine schöner Anblick sei. Ich machte es trotzdem. Ich musste es tun. Das war ich mir und vor allem meiner Oma schuldig. Und spätestens jetzt weiß ich, dass es gut war, nicht alleine mit meiner Cousine hingegangen zu sein. Im Gegensatz zum letzten Jahr war sie stark abgemagert, eingefallen und saß steif im Rollstuhl. Ich konnte diesen Anblick kaum ertragen und habe großen Respekt vor meiner Mutter, wie routiniert sie mit dieser Situation umgeht, wo sie ihr doch noch viel näher steht als ich es je tat. Das ein oder andere Wort konnte sie ihr noch nach lautem Ansprechen entlocken, ehe eine Pflegerin sie auch unter meiner Mithilfe ins Bett hievte. Ein Glück auch, dass Verona dabei war, so konnte ich mich wenigstens ein wenig ablenken.
Das schlimmste aber war das Zimmer selbst. Überall auf Ihrer Kommode und in einem Regal waren Bilder ihrer Verwandten, auf einem großen Foto an einem Schrank lächelten Becca, Berni und ich einem entgegen. Die wenigen letzten engen Menschen in ihrem Leben, die sie noch hatte, die ihr wichtig waren. Sie war mir offenbar nicht wichtig, sonst hätte ich sie wenigstens ab und an besuchen können. Nach einiger Zeit ging ich dann mit Verona schon voraus nach Hause, zuvor verabschiedete ich mich noch von ihr, was sie, auch für mich ein wenig überraschend, deutlich erwiderte. Dabei spielt es jetzt für mich auch keine große Rolle, ob sie wusste wer ich war. Somit konnte ich in diesem Moment doch noch ein wenig Frieden mit mir schließen. Es wird wohl unsere letzte Begegnung gewesen sein.

Der Schluss, den ich daraus ziehe ist, dass ich bei meinem anderen Großelternpaar diesen Fehler nicht wiederholen werde. Schon jetzt bin mindestens einmal die Woche dort. Zugegebenermaßen bin ich dort zum Essen eingeladen, doch ich weiß die Zeit dort wirklich zu schätzen und ich hoffe auch, dass sich das nicht ändern wird, selbst wenn es ihnen einmal schlechter geht. So ein Verhalten wie bei Oma Hammer will ich mir nicht noch einmal selbst vorwerfen müssen.

1 Kommentar:

Fänt hat gesagt…

Wenn man selbst in der Jugend lebt und erst langsam durch das Älter-werden, das Altern rafft, lernt man zu schätzen, was man eigentlich an den älteren Generationen hat. Oftmals ist es dann zu spät... denn ER hat Dich dann eingeholt...