Samstag, Dezember 12, 2020

Alien Invasion

Ich habe nie viel für Spotify und dergleichen Zeugs übrig gehabt. Wenn mir Leute Spotify - links auf Whatsapp schicken winke ich innerlich ab. Es macht vermutlich keinen Sinn, jemanden, der solche links verschickt zu erklären, dass es Menschen wie mich gibt, die die app noch nicht einmal runtergeladen haben, von einem Premium account ganz zu schweigen. Dabei halte ich mich eigentlich für einen, der zumindest was Populärmusik angeht, einiges auf dem Kasten hat. Selbst von meiner Schwester Hirn, die selbst ein Sontext - Master sondersgleichen ist erreicht mich gelegentlich ein Anruf mit der Frage, was dieses oder jenes doch gleich für ein Lied gewesen ist. Nicht selten habe ich, wenn nicht eine Antwort, zumindest einen entscheidenden Hinweis parat. Beim Autofahren jedoch, bevorzuge ich seit vielen Jahren nun, ob für kurze oder lange Strecken, mittlerweile Bayern 2, einen Bildungsradiosender mit immer wieder hochinteressanten Sendungen zu allen erdenklichen Themen.

Und so lief dieser auch den halben Kilometer von meiner Wohnung zum Lidl - Discounter, als ich mich im Frühjahr des Jahres 2016 aufmachte, meine Samstagseinkäufe zu erledigen. Es war etwa 13:45 Uhr und es ging dieses mal um ein astronomisches Thema. Um möglicherweise flüssiges Wasser auf einem der Jupitermonde und dergleichen mehr. "Nettes Thema, immer wieder gerne gehört", dachte ich mir, gerade die Haslacher Kirche passierend. Als ich mich nur wenige Augenblicke später schon auf Höhe meines Zielortes befand erfuhr ich, dass es sich hierbei um eine Sondersendung handelte, die deshalb gesendet wurde, da kurz zuvor unbekannte Flugobjekte in der Erdatmosphäre entdeckt wurden...

WIE BITTE?!?

Hatte ich das eben richtig gehört? Zum Teufel noch eins, jetzt war es so weit. Wenn mir der jahrelange Konsum unter anderem von Filmen wie Indepence Day oder Krieg der Welten eines gelehrt hatten dann, dass Außerirdische, die sich offenbar in größerer Menge im Orbit der Erde aufhielten, mit Sicherheit nichts Gutes im Schilde führten. Ich nestelte in meiner Hosentasche nach meinem Handy und rief sofort Huber an. Wenn es jemanden gibt, der Nachrichten welcher Art auch immer garantiert noch vor mir gehört hatte, dann war das er. Jedoch war dieser nicht zu erreichen. Kein Wunder, dachte ich mir folgerichtig, vermutlich hat er sich mit seiner Familie schon in irgendeinem safe room verkrochen. Aufgewühlt erhob ich meinen Blick gen Himmel. War womöglich schon irgendwo ein UFO zu entdecken? Verflixt, musste sowas denn ausgerechnet zu meinen Lebzeiten passieren? "Es hilft ja alles nichts", dachte ich mir seufzend, schnappte mir einen (kleinen) Einkaufswagen und betrat den Supermarkt. Es war dort alles wie immer. Die übliche Anzahl an Leute schoben seelenruhig und nichtsahnend ihre Wägen vor sich her, der ein der andere Mitarbeiter füllte mit dem bekannten Nullcheckerblick die Regale auf. War denn ich der Einzige, der wusste, was sich hier in Kürze abspielen würde? Nicht zu fassen. Ich lachte beinahe in mich hinein. Am Wurstregal beobachtete ich eine Frau, die mit dümmlichem Gesichtsausdruck mit ihrem Mann debattierte, welche Streichwurst denn die bessere Wahl sei. "Ihr Narren" kam es mir unvermittelt in den Sinn und zog weiter, denn der Appetit war mir gänzlich vergangen. Ich hatte völlig vergessen, weshalb ich überhaupt hier war. Was genau ist mir daheim nochmal ausgegangen? Milch? Küchenrolle? Klopapier? Kein Plan!!! Gedankenlos kippte ich eine halbe Palette Froop - Joghurt im Angebot in meinen ansonsten gähnend leeren Einkaufswagen. Später würde ich nach Oberteisendorf zu meiner Freundin Melli fahren. Wie um alles in der Welt sollte ich ihr beibringen, dass uns mit großer Wahrscheinlichkeit eine Invasion feindlicher Geschöpfe bevorstand, so ängstlich wie sie ohnehin war? Mein lieber Herr Gesangsverein.

In meiner Apathie aufpassend, nicht mit anderen Leuten zu kollidieren näherte ich mich der Kasse 3, die völlig frei von anderen Kunden war. Noch ehe ich meine handvoll Sachen abgeladen hatte, hörte ich die Durchsage, dass Kasse 3 nun schließen würde und keine Einkäufe mehr auf das Band gelegt werden dürften. "Ja", dachte ich mir in stummer Verzweiflung, "Kasse 1 schließt auch bald, und zwar für immer..."
Als ich den Laden verließ dankte ich beinahe dem wolkenverhangenen Himmel, der mir den Blick auf schlimmeres Ungemach darüber verbarg. Um ein Haar ließ ich vor Schreck meine spärlich gefüllte Einkaufstüte fallen, als wie aus dem Nichts die Haslacher Feuerwehr - Sirene ertönte. Tja, da musste man wohl nur noch 1 und 1 zusammenzählen...
Wieder im Auto war es etwa 14:05 Uhr, als ich augenblicklich das Radio anmachte um mich über die Nachrichten zu informieren, was es jetzt zu tun galt. Ich war offensichtlich etwas zu spät dran, denn nach dem Sport ging es weiter mit dem Wetter. Nicht einmal jetzt gab es einen vernünftigen Programmchef, der einmal auf den Tisch haute um die Prioritäten einzuordnen, dachte ich mir wütend, als ich wenige Momente später schon in die Tiefgarage einfuhr. Kaum betrat ich im Anschluss die Wohnung fuhr ich meinen PC hoch und räumte die verbeulten Froops in den Kühlschrank, als ich schon vor dem Computer saß und Bild - online aufrief. Man mag der Bild vieles vorwerfen aber sie sind gemeinhin die ersten, die an Informationen gelangen. Gab es schon erste Opfer? Wo würden sie zuerst zuschlagen? Doch nichts! Absolut keine Information!
Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Weiter zu Spiegel - online! Auch hier: Rein, gar nichts!
Mit etwas Mühe und einer Mischung aus Sorgenfalten und wachsendem Mangel an Vertrauen in meine Zurechnungsfähigkeit friemelte ich mich auf der Bayern 2 homepage zu dem eben gehörten Beitrag durch und stellte fest, dass es sich dabei um eine fiktive Geschichte gehandelt hatte. Ich hatte in meiner nicht einmal fünf Minuten dauernden Fahrt genau die viel zu kurze Passage gehört, bei der diese entscheidende Information nicht erwähnt wurde. Halleluja. Was fiel mir da für ein Stein vom Herzen. Glücklicherweise hatte ich die anderen Kunden nicht damit belästigt. Man hätte mich wohl kurzerhand - völlig zurecht - für vollkommen verrückt erklärt. Ebenso musste ich Melli nun nicht über die nahende Apokalypse unterrichten...puh! Ich schnappte mir mein Handy und textete Huber, dass ich soeben ganz klassisch ge"Orson Welles"d wurde. Unter meinen Freunden war er der Einzige, so dachte ich, der die Geistesgegenwart aufbrächte, hier entsprechend zu reagieren und er enttäuschte mich nicht. "Wer hat angegriffen"? lautete seine Antwort bzw. Frage. Ich musste schmunzeln. Ich war sprichwörtlich mit dem Schrecken davon gekommen.
Allerdings musste ich am Montag noch einmal zum Lidl. Mit den paar Froops würde ich nicht über die Woche kommen.