Montag, Dezember 27, 2010

# 4: Gargoyles Quest

Im Alter von 9 - 13 Jahren war Nintendos Game Boy für mich das absolute Nonplusultra. Ich selber hatte bis ich zwölf wurde keinen eigenen aber wenn ich bei meinen Freunden war, zockten wir alle wie die Weltmeister. Dabei spielte es gar keine große Rolle, ob das Spiel besonders gut war. Es war für den Game Boy, es musste demnach cool sein, also in jedem Falle spielenswert. Als Fans der ersten Stunde hatten wir natürlich jede Menge der frühen Titel, darunter Klassiker wie das bereits beiliegende Tetris, Super Mario Land, The Castlevania Adventure oder Kwirk, sowie solche, die gerne Klassiker geworden wären uns aber deswegen auch nicht weniger gefielen wie King of the Zoo, Fortress of Fear, Navy Seals oder Spiderman. Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen.
Ein weiterer junger Mann aus der evangelischen Siedlung, Gerhard Spitz, hatte aber damals exklusiv ein Spiel, das ich damals nicht oder so gut wie nicht in einen verfügbaren Game Boy Modulschacht bekam und mich schon daher besonders interessierte: Gargoyles Quest. Da Spiele damals aber im Freundeskreis immer schnell die Runde machten war es nur eine Frage der Zeit, bis es irgendwann bei Stoibers daheim lag. Als mir dieser später dann für ein paar Tage seinen Game Boy u. a. mit eben jenem Gargoyles Quest lieh, kannte meine Freude keine Grenzen mehr. Besonders gut gefielen mir daran zwei Dinge. Zum einen die tolle klassische (Dudel-) Musik, die sogar in der damaligen Video Games - Zeitschrift extra gelobt wurde sowie die Rollenspielelemente. Wenn man so will, war Gargoyles Quest meine erste wirkliche Begegnung mit einem Rollenspiel. Zwar fehlten Elemente wie eine Party, Erfahrungspunkte als solche sowie ein Rundenkampfsystem, sehr wohl hatte es aber eine interessante Geschichte, eine Oberwelt, Zufallsbegegnungen und Items, die Waffen, Sprungkraft und Flugdauer verlängerten. Das war mir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht bewusst. Ich rannte nur planlos in der Oberwelt herum und fechtete einen Zufallksampf nach dem anderen aus, aufgrund mangelnder Englischkenntnisse nichtsahnend, dass dies nicht das Hauptziel des Spieles darstellte. Ohne wirklich voran gekommen zu sein, wanderte das Spiel - vermutlich über mehrere Hände - wieder zurück zu seinem eigentlichen Besitzer, Gerhard Spitz.
Eines schönen (eigentlich vermutlich regnerischen) Tages einige Zeit später, als ich wie so oft bei meinen Freunden in der evangelischen Siedlung war, fanden wir uns, das Wetter war zu schlecht um draußen zu spielen, im Haus von Gerhards Eltern ein, soweit ich mich erinnere, waren außer uns beide noch Stoiber und Schlosser anwesend.
Gargoyles Quest steckte im Modulschacht, wir sammelten uns gebannt hinter seinem Rücken und konnten beobachten, wie er im Schweiße seines Angesichts den vorletzten Boss Rushifell besiegte. Die Belohnung dafür ist die stärkste Waffe sowie eine unbegrenzte Flugdauer von Firebrand. Zuvor war die Flugdauer immer durch einen von rechts nach links schwindenden Zeitbalken angezeigt wurden, nun war an dieser Stelle stattdessen ein seltsames Symbol angebracht, das keiner so recht verstand. Es war Gerhard selbst, der glaubte, schon einmal gehört oder gelesen zu haben, dass die liegende "8" das mathematische Symbol für "unendlich" sei. So war es dann auch und ich war wieder einmal ein wenig schlauer geworden.

Einen kleinen Flugabschnitt entfernt war es dann soweit. Eine letzte Boss-Stage und der Endkampf mit King Breager würde über das Schicksal des Ghoul-Realm entscheiden. Doch wir hatten ein Problem.....
Das Level war so unübersichtlich, dass wir trotz vieler Bildschirmtode und etlichen Versuchen einfach nicht wussten, wo es lang ging.
Wieder war es Gerhard, der die rettende Idee hatte. "Lasst uns einfach bei der Nintendo Spiele-Hotline anrufen!" Gesagt getan. Einen kurzen Anruf später wussten wir dank eines schlauen Helfers, dass wir uns nordwestlich zu halten hatten. Von da an war die Sache ein Selbstläufer. Level geschafft, Breager kaputt. Gargoyles Quest erledigt, dazu eine der wie ich finde schönsten Abspänne aller Game Boy - Spiele (Link im Titel)
Jahre später, als ich dann auch einen Game Boy hatte, ist auch irgendwie dann Gargoyles Quest in meine Spiele-Bibliothek gewandert. Wem es ursprünglich gehörte, weiß ich nicht, gekauft habe ich es mir jedenfalls nicht. Auch egal. Mittlerweile betrachte ich es als eines meiner Spiele und immer dann, wenn mich die Nostalgie packt und ich es alle paar Jahre hervorkrame weiß ich immer noch, dass ich mich im letzten Level in nordwestlicher Richtung zu halten habe :)

Freitag, Dezember 03, 2010

Wenn ER dich einholt...

Ich weiß nicht, von den ein oder anderen mit heutigem Abstand gesehen eher fragwürdigen posts zu irgendwelchen blöden Weibern abgesehen habe ich hier nie wirklich etwas richtig emotionales geschrieben. Aber das heutige Erlebte will ich hier trotzdem niederschreiben. Es ist das Mindeste was ich tun kann, um diesen Stau an Gefühlen ein Ventil zu geben. Zunächst einmal will ich verteidigend sagen, dass mir das Verdrängen von Problemen bis zur Unausweichlichkeit derselben wohl von meinen beiden Eltern anerzogen wurde, vielleicht kann ich also gar nicht so viel für mein Verhalten. Tatsache ist, dass meine Oma (Hammer - für alle Nichtwissenden, bei uns werden Omas zur Unterscheidungshilfe nicht selten durch einen Ortsbezug gekennzeichnet, in diesem Fall ihr lanjähriger Wohnort, die ehemalige Gemeinde und nun Ortsteil von Siegsdorf, Hammer), 84jährig, nicht mehr lange zu leben hat. Heute war auch schon der Pfarrer für die Krankensalbung bei ihr. Was das Ganze aber für mich so dramatisch macht ist, dass ich sie seit ihrem Umzug ins Altenheim - soweit ich weiß anno 2002 - insgesamt vielleicht fünf mal besucht habe, vielleicht war sie während dieser Zeit, als es die Gesundheit noch zuließ, ebenso oft bei uns zu Hause. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, liegt das Altenheim keine drei Minuten Fußweg von uns daheim entfernt. In den vergangenen fünf, vielleicht sechs Jahren hat sich ihre Demenzkrankheit stark verschlimmert. Ich habe mich zwar schon immer mal wieder bei meiner Mutter oder meiner Tante nach ihrem Zustand erkundigt oder er wurde mir, wenn etwas passiert war, etwas sich verschlechtert, seltener auch mal etwas verbessert hat, mir von ihnen zugetragen, aber selbst den Mumm, sie zu besuchen, konnte ich nicht aufbringen. Dass meine beiden Schwestern sich hier nicht besser verhielten, ist auch keine Entschuldigung. Ich rühme mich immer vor mir selbst, dass ich mich für Geschichte des 21. Jahrhunderts interessiere. Als sie vor noch gar nicht so vielen Jahren noch klar war, hätte ich solche, gelebte Geschichte aus erster Hand erfahren können aber nichts habe ich getan. Immer nur verdrängt, dass da ein Mensch, der dir von Kindesbeinen nahe stand wie kaum ein zweiter nun einsam ist und von einem seiner nächsten Verwandten nicht besucht wird. Vergessen, unwichtig, abgeschoben. Immer ist alles andere wichtiger. Der Alltag, die Drecks-Arbeit, der Sandl-Sonntag....hör mir auf.
Als ich vor ca. einem Monat erfuhr, dass sie ins Krankenhaus musste, weil sie eine unerklärliche Blutung hatte, bereitete mich meine Mutter und meine Tante schon darauf vor, dass, wenn ich sie noch einmal besuchen wollte, es wohl nicht mehr allzu viele Gelegenheiten geben würde. Ich plante, dass ich mit meiner Cousine zusammen sie besuchen würde. Weil sie recht schnell wieder aus der stationären Behandlung entließ, wurde daraus nichts. Ich bereingte halbherzig mein Gewissen, weil mein Wille ja schließlich da war. Ich sagte zu meiner Tante, dass ich nun im Altenheim ja wieder Gelegenheit hätte. Nach Ostern 2009, als ich sie zum letzten mal besuchte war ich heute wieder dort mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester Verona, nachdem meine Mutter mir sagte, dass es wohl bald mit ihr zu Ende gehen würde. Eigentlich wollte mich meine Mutter eher schützen und meinte, dass es wohl gar nichts bringen würde und dass es sicher keine schöner Anblick sei. Ich machte es trotzdem. Ich musste es tun. Das war ich mir und vor allem meiner Oma schuldig. Und spätestens jetzt weiß ich, dass es gut war, nicht alleine mit meiner Cousine hingegangen zu sein. Im Gegensatz zum letzten Jahr war sie stark abgemagert, eingefallen und saß steif im Rollstuhl. Ich konnte diesen Anblick kaum ertragen und habe großen Respekt vor meiner Mutter, wie routiniert sie mit dieser Situation umgeht, wo sie ihr doch noch viel näher steht als ich es je tat. Das ein oder andere Wort konnte sie ihr noch nach lautem Ansprechen entlocken, ehe eine Pflegerin sie auch unter meiner Mithilfe ins Bett hievte. Ein Glück auch, dass Verona dabei war, so konnte ich mich wenigstens ein wenig ablenken.
Das schlimmste aber war das Zimmer selbst. Überall auf Ihrer Kommode und in einem Regal waren Bilder ihrer Verwandten, auf einem großen Foto an einem Schrank lächelten Becca, Berni und ich einem entgegen. Die wenigen letzten engen Menschen in ihrem Leben, die sie noch hatte, die ihr wichtig waren. Sie war mir offenbar nicht wichtig, sonst hätte ich sie wenigstens ab und an besuchen können. Nach einiger Zeit ging ich dann mit Verona schon voraus nach Hause, zuvor verabschiedete ich mich noch von ihr, was sie, auch für mich ein wenig überraschend, deutlich erwiderte. Dabei spielt es jetzt für mich auch keine große Rolle, ob sie wusste wer ich war. Somit konnte ich in diesem Moment doch noch ein wenig Frieden mit mir schließen. Es wird wohl unsere letzte Begegnung gewesen sein.

Der Schluss, den ich daraus ziehe ist, dass ich bei meinem anderen Großelternpaar diesen Fehler nicht wiederholen werde. Schon jetzt bin mindestens einmal die Woche dort. Zugegebenermaßen bin ich dort zum Essen eingeladen, doch ich weiß die Zeit dort wirklich zu schätzen und ich hoffe auch, dass sich das nicht ändern wird, selbst wenn es ihnen einmal schlechter geht. So ein Verhalten wie bei Oma Hammer will ich mir nicht noch einmal selbst vorwerfen müssen.