Samstag, Februar 11, 2023

Corona - ein persönlicher Bericht

Es fing an, wie so etwas eigentlich immer anfängt. Man hört einmal, praktisch auf einem Ohr (wer hört heutzutage überhaupt bei irgendwas noch mit mehr als einem Ohr zu?) was von einem neuen Virus in China. Ach Gottchen. Schon wieder. Was Neues fällt ihnen wohl nicht ein. Vogelgrippe, Schweinegrippe, SARS. Im Dezember 2019 interessiert mich das nicht mehr als jede andere Schlagzeile, die es aus fernen Ländern dann doch einmal gerade so auf Seite eins schafft. Who cares?, denke ich und feiere wieder mal ein etwas ausgefalleneres Silvester, dieses mal bei Dom daheim in Götzing mit einer wirklich lustigen Truppe. Ich meine, dass auch über das Coronavirus, wenn es denn damals überhaupt schon einen Namen hatte, der ein oder andere Satz fiel. Aber ganz im Ernst, dieses Thema würde in ein, zwei Wochen durch sein, wie eigentlich immer. Daran bestand kein Zweifel. Überhaupt hatte ich ganz andere Dinge im Sinn. Im Februar wartete schon mein 39. Geburtstag auf mich und es dürfte ja wohl klar sein, dass das letzte Jahr mit einer "3 davor" noch einmal ordentlich Grund zum Feiern war. Hallo Villa, hier bin ich!

Und nicht allzu lange sollte es dauern, bis genau ein solches Highlight herbeiflattern würde, ok, allerdings mit Ansage, denn der berühmte Mafia-Ball im Schnitzlbauer hatte mich so gut wie noch nie enttäuscht. Das Besondere daran: Ich war an dem Abend sogar noch 38, okay, zumindest bis 24 Uhr, denn dann hatte ich auch noch Geburtstag. Es war wirklich ein unfassbar geiler Abend. So viele Leute, ein perfekter Alkohol-Pegel, unzählige Flirts, mehrere Schmuser, einer dieser Abende eben, die einem lange im Gedächtnis bleiben und nach denen ich weiß, warum ich es immer noch so sehr liebe, des Nächtens auszutauchen.
Bei einer Sache jedoch, hatte ich mich getäuscht, das Virus aus bzw. in China hatte die Schlagzeilen nicht verlassen, im Gegenteil. Was man aus der Stadt Wuhan hörte und sah, brachte einen in der Tat einen Schauer über den Rücken. Sterbende Patienten auf den Gängen, Leichensäcke noch und nöcher, Ärzte und Pfleger in Ganzkörper-Schutzanzügen, weinendes Personal, Überforderung allenthalben. Ich denke nicht, dass man Vergleichbares in der jüngeren Vergangenheit schon einmal gesehen hatte.
Es muss wohl auch in diesen Tagen gewesen sein, als erste Berichte über Ausbrüche in Europa die Nachrichten bestimmten, insbesondere im norditalienischen Bergamo. Es sollte nicht lange dauern, bis die Bilder denen in China mindestens glichen, wenn nicht sogar in ihrer Dramatik überstiegen. Doch auch Deutschland blieb nicht verschont. Von einem ersten Fall in einer Familie in, man mag es nicht für möglich halten, Siegsdorf, wurde berichtet. In unserer "Familien -Whats App-Gruppe" ging es heiß her. Da es über die Gefährlichkeit, um nicht zu sagen Mortalität des Virus, keine allzu großen Zweifel mehr zu geben schien, wurde es einem von Tag zu Tag mulmiger zumute.

Spätestens von März an ging es nahezu Schlag auf Schlag. Ich weiß noch, dass wir am Anfang des Monats an einem Freitag Abend in Senses waren und es praktisch an allen Tischen nur noch um dieses eine Thema ging. Von "wir wissen überhaupt nix", über "das ist bald wieder vorbei, scheißt euch ned an" bis "es sieht richtig übel aus" war alles dabei. Als ich einmal draußen beim Rauchen stand, kam ich mit einem Jungspund vom Nachbarstisch ins Gespräch, der gehört hatte, dass es in Italien auch eine Vielzahl von jungen, gesunden Menschen dahingerafft hatte.
In den nächsten Tagen machten erste Gerüchte die Runde, dass Restaurants schon bald alle schließen müssten, der Profisport, und insbesondere der Fußball, seinen Spielbetrieb würde einstellen müssen, die Hiobsbotschaften nahmen kein Ende. Es gab, ob im TV oder innerhalb der Familie und unter Freunden, kein anderes Thema mehr. Keiner, absolut keiner, wusste, was hier eigentlich los war und wie man damit umgehen sollte. Die Rede war von einem "Superspreader - Event" - ein Wort von vielen übrigens, die sich völlig neu ins kollektive Gedächtnis hineinbrennen sollten - im österreichischen Ischgl, bei dem trotz aller Warnungen, eine riesige Apres-Ski-Party abgehalten wurde. Kilometerlange Staus sah man insbesondere auf dem Brenner aus Italien, bei dem österreichische Beamte den Urlaubern aus dem Auto heraus das Fieber maßen. Spätestens jetzt war eines deutlich: das Virus war europaweit nicht mehr aufzuhalten. Das Chaos war überall riesengroß, Politiker aus aller Herren Länder, auch überregional, kommunal, niemand wusste, was zu tun sei.
Ich erinnere mich an einen Tag in der Arbeit, als ich vorne am Empfang im Radio hörte, dass ein Lungenfacharzt sagte, eine Infektion würde nach seiner Einschätzung langfristige Schäden am Lungengewebe hervorrufen. Kanzlerin Angela Merkel sagte in einer Fernsehansprache auch zu dieser Zeit, dass sich (offiziell nun schon als Pandemie eingestuft) immunologisch betrachtet die Krankheit erst dann wieder erledigt haben würde, wenn eine Herdenimmunität eintreten würde, was hieße, dass sich rund 70 % der Menschen damit anstecken würden. Ich weiß, dass dies in mir etwas auslöste. Ich hatte in dieser Nacht ein Gefühl, dass mit "mulmig" nicht mehr ausreichend umschrieben war, es ging eher in Richtung Angst.

Es ist nun so, dass sich die nachfolgenden Ereignisse weltweit soweit verzweigten und es keinen allzu großen Sinn mehr macht, auf diese im Einzelnen einzugehen, sei es weil die Pandemie sich wie ein Lauffeuer über den USA verbreitete, die rasend schnelle Entwicklung der Impfstoffe, der alternative Umgang in Schweden, das Abebben in China usw usf. Es macht schlichtweg keinen Sinn, darauf einzugehen, zumal es einer tiefgreifenden Recherche zu allem Möglichen erfordern würde, um nicht ständig ein "ich glaube" oder "ich meine mich zu erinnern" vorweg zu schicken. Nicht umsonst hieß dieser Beitrag auch "eine persönliche Geschichte". "Hieß", da ich mich jetzt, da ich diese Zeilen schreibe entschieden habe, den Titel zu ändern, da es mir schwer fällt, diesen Text einem klassischen Narrativ unterzuordnen. Vielmehr werde ich im Folgenden einfach mehr oder weniger zusammenhanglose Anekdoten aneinanderreihen, die, sofern mich meine Erinnerung nicht täuscht, aber idealerweise chronologisch korrekt dargestellt werden.

Müßiggang

In der Arbeit ist es zunächst ein Gerücht, doch wenige Tage später wird es klar. Die Kurzarbeit kommt. In zwei Teams eingeteilt wird in eben zwei Schichten gearbeitet. Die ersten Wochen besonders kurz. Entweder von 7 bis 12, oder von 13 bis 18 Uhr, kurz darauf dann jeweils etwas länger. Der Stress ist bei mir im Lager, im Gegensatz zu praktisch allen anderen Abteilungen gigantisch. Nichtsdestotrotz genoss ich die Zeit. Besonders die freien Vormittage sind irgendwie besonders positiv im Gedächtnis geblieben. Ich spiele zu der Zeit Shadow of the Colossus durch. Während die Kurzarbeit in vielen anderen Branchen Dauerzustand wird, endet die unsere sehr schnell, denn natürlich wird die Karte der "unverzichtbaren Gesundheitsbranche" sehr schnell gezogen. Schade.

Frische Luft

Im Laufe des Aprils gehe ich ein paar mal unter anderem mit Julia und ihrem Hund nach der kurzen Arbeit in einem nahen Wald spazieren. Es wirkt alles unwirklich, leiser, still. Es sind diese Momente, weshalb ich diese kurze Zeit als beinahe positiv in Erinnerung habe. Kaum jemand ist unterwegs, man unterhält sich darüber was man darf, von Leuten die 500 Euro bezahlt haben, weil sie im Auto unterwegs waren (grundlos!) und fragt sich, ob wohl Polizisten im Wald patrouillieren. Zweifellos spürt man aber vermutlich das erste mal seit Generationen eine Härte und einen Durchsetzungswillen des Staates, von dem man bisher kaum zu Träumen gewagt hatte.

Du hast es!

Eines schönen April-Wochenendes gehe ich spazieren. Es ist ein wunderschöner Tag. Ich spaziere durch Wälder und über Wiesen. Ich liebe diese Jahreszeit, wenn sich der Frühling langsam durchsetzt. Kaum jemand ist unterwegs, da über jede Bewegung außerhalb der eigenen vier Wände ein großes Fragezeichen schwebt. Spazieren gehen darf man, soviel ist klar. Wenn zu mehreren, dann nur mit dem eigenen Partner, aber das ist ja nicht zu verifizieren. Kurz bevor ich bei meiner Mutter angekommen bin (ich glaube, das durfte man auch) sehe ich mehrere Personen im Kurpark in Siegsdorf. Man grüßt sich, man sieht sich an und zumindest ich denke mir: wer von euch hat es? Gebt es doch zu!

Maske auf!

Relativ früh hört man aus Politik, Wissenschaft und Medien, dass zur Infektionsvorbeugung eine Maske das Gebot der Stunde sei. Aus Reportagen aus dem asiatischen Raum sieht man schon immer Menschen, die sich mit den typischen OP-Masken im Raum bewegen. Bei uns ist zunächst einmal die Alltags- und Stoffmaske im Gespräch, diese kann auch gerne eigenhändig aus Stoff hergestellt werden. Die sogenannten AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) entstehen als der große Heilsbringer in dieser Zeit. In der Näherei bei uns in der Arbeit werden eifrig Masken genäht, wasch- und wiedereinsetzbar, versteht sich. Es dauert nicht lange und die Maske, später überwiegend die für mich überaus lästige, weil starre FFP2-Maske, ist im Alltagsleben, zunächst im Supermarkt, nicht mehr wegzudenken - und bleibt es eine sehr lange Zeit.

1. Corona - Date

Recht früh wird mir klar, dass in Ermangelung an Möglichkeiten, überhaupt irgendwelche Leute zu treffen, von Neuen ganz zu schweigen, es nicht leicht werden wird auf dem Dating-Markt. Doch weit gefehlt. Es wird ganz im Gegenteil das Jahr der besonders interessanten Begegnungen. Da dies hier aber der Platz für meine Erlebnisse rund um die Corona-Pandemie ist, werden diese möglicherweise in einer anderen Geschichte behandelt. Ich weiß aber noch , wie ich noch sehr früh, ich glaube, es war sogar noch März, Temi in Pfarrkirchen besuche. Es fühlte sich vollkommen verrückt an auf der Bundesstraße zu fahren und mit Ausnahme von wenigen LKWs und noch weniger anderer PKWs, fast alleine auf der Straße zu sein. Oft denke ich mir meine Story durch, die ich der Polizei erzählen würde, sollte ich aufgehalten und gefragt werden, was zum Teufel ich auf der Straße verloren hätte. Glücklicherweise kommt es dazu nicht. Als ich mit Temi spazieren gehe, steuert sie eine Apotheke an und fragt dort nach Händedesinfektionsmittel. Ausverkauft! Wer hätte das gedacht?!

Tägliche Routine

Eine meiner meistgenutzten Apps auf meinem Smartphone ist die von Spiegel-online. Das war schon Jahre vor Corona so, aber nun erst recht. Es vergeht für lange Zeit, ja praktisch für die nächsten zwei Jahre, kein Tag, an dem ich nicht die Corona-Situation regional, überregional, deutschland- und europaweit, ja weltweit checke. Es ist in meinem Kopf nach wie vor das Monothema schlechthin. Vergleiche mit den anderen Ländern (ja, Italien, Frankreich und UK sind noch wesentlich schlechter dran) beherrschen meinen Alltag. Schlechte Laune, wenn die Kurve steigt, gute, sobald sie im Sinken ist. Wieder ein Begriff, mit dem zuvor kein Mensch irgendetwas zu tun hatte macht seinen Weg von der Epidemiologie bis hinunter zu den Stammtischen: die (7-Tage-) Inzidenz.

Locker und leicht

Auch wenn es für viele Schwurbler und Querdenker, noch so zwei Begriffe mit Hochkonjunktur seit Beginn der Pandemie, schwer zu verkraften, noch weniger zu kapieren ist: wie gut die demokratischen Strukturen in unserem Land funktionieren, ist ein sehr bemerkenswertes Faktum in diesen Tagen. Man kann sich vorstellen, dass, sobald Talk- und Politshows (ohne Zuschauer und mit viel Abstand versteht sich) langsam im Fernsehen wieder anrollen, es auch dort praktisch kein anderes Thema als Covid 19 gibt. Das ist natürlich folgerichtig: Die gesellschaftlichen Verwerfungen, die mit der Pandemie alleine auf nationaler Ebene einhergehen, sind schier gigantisch. Einzelhändler, Restaurants, Hotels (an Bar- oder Clubbesitzer bräuchte man nicht im Entferntesten zu denken), alle Bangen um ihre Existenz. Da in der Wirtschaft, erst recht in der globalen, alles mit Allem irgendwie zusammenhängt, trifft es im Prinzip so gut wie alle Branchen direkt oder indirekt. Der Staat soll, ja, er muss zahlen. So lange, wie es eben sein muss. Über wie viel und wie lange wird ausgiebig verhandelt, auch mit den Solo-Selbständigen (der nächste Begriff aus der Corona-Kiste). Der Streit zwischen Team Vorsicht (...) und Team Lockerung wird Woche für Woche lauter. Für beides sprechen gute Argumente. Man muss zugeben, es ist spannend, und kompliziert, verflixt kompliziert. Die föderale Struktur der Bundesrepublik tut ihr Übriges dazu.
Mit dem Sinken der bundesweiten Inzidenzen irgendwann ab April wird klar, dass sich Team Lockerung verhalten durchsetzen wird. Eine der Lockerungen ist wahrhaftig bemerkenswert und ist mindestens europaweit eine mutige Pionierleistung. Die Bundesliga startet mit dem Männerfußball (wie es bei den Frauen aussah weiß ich ehrlich gesagt nicht) als erste Liga Europas nach vielen Wochen Pause; natürlich unter Ausschluss von Zuschauern in leeren Stadien. Ich freue mich wie verrückt, denn auch wenn erst wenige Wochen seit dem "Lockdown" vergangen sind, so sehne ich mich unheimlich nach jedem Stück Normalität.

Lockerung, die Zweite

Jetzt wird es richtig spannend. Mit dem Beginn der wärmeren Jahreszeit sperren die Biergärten, ich meine eine Weile später auch die Innenräume und somit sämtliche Restaurants wieder auf. Wobei gerade in den Anfangsmonaten der Pandemie die Angst vor (erst rechts geschlossenen) Innenräumen extrem groß ist. Aber ganz so einfach ist es selbstredend nicht. Als ich Mitte Mai zum ersten mal im Wochinger bin, ist der komplette Biergarten mit Absperrband eingekreist, eine Person wartet an einem schmalen Eingang und führt mich an einen Tisch, wo die Personalien mit Telefonnummer (für Kontakt im Falle späterer Infektionen) aufgenommen werden. Treffen darf man anfangs denke ich nur eine Person, später wird hier weitgehend Normalität zurückkehren. Über die Sinnhaftigkeit, der lange anhaltenden Regel über die Pflicht der Maskierung, wenn man aufsteht und die Toiletten aufsucht, könnte man lange debattieren. Es ist wie es ist und dankbar nehme ich alles in Kauf.

Schwurbelalarm

Wenn etwas recht schnell klar wird ist, dass man als Person in der Gesellschaft Farbe bekennen muss. Mögen die ersten Wochen, vielleicht sogar Monate, eine eigentümlich heimelige Atmosphäre des Zusammenhalts über alles und vor allem jedem gebracht haben, ist es damit schnell wieder vorbei. Die schon lange mehr im Untergrund existierende Szene der Verschwörungsgläubigen sieht Ihre Zeit wie nie zuvor gekommen und legt los, wie man es nicht für möglich gehalten hat. Es ist müßig, auf das alles überhaupt einzugehen, so groß ist der Unsinn. Entweder ist Corona nur erfunden, überhaupt nicht gefährlich und/oder dient nur dem Zwecke des "Great Resets" der Installation der "New World Order" angeführt von Bill Gates, George Soros, den Rothschilds, Juden, Freimaurern etc pp. Man könnte hier alles Mögliche aufzählen, es würde keinen Unterschied machen. Die Szene ist nicht unbedeutend klein, im Wachsen begriffen und divers; von klassischen Neonazis in Springerstiefeln bis zu esoterisch linksalternativen Liegerad-Fahrern ist alles zu finden, was vom Establishment, welches durch Corona folgerichtig einen gesellschaftlichen Boost erfährt, die Schnauze voll hat. Eine wahrhaftig unheilige Allianz. Angeführt wird diese von verschiedenen Figuren, eine Hand voll davon stechen heraus und werden zum Sinnbild der Verrücktheit der Situation. Zu nennen sind hier die Mediziner Dr. Sucharit Bakhdi und Bodo Schiffmann, zum Anderen der lautstark auftretende, zuvor hauptsächlich durch vegane Kochbücher in Erscheinung getretene Attila Hildmann, sowie Musiker Xavier Naidoo. Es sollte interessant sein mitzuerleben, wie sich die Situation, vor allem für die beiden Letztgenannten, noch entwickeln würde. Was letztlich alles überdauert ist, dass der eigentlich positiv besetzte Begriff des "Querdenkers" nachhaltig beschädigt und zum Synonym wird für die Menschen die den Staat und insbesondere die Coronamaßnahmen radikal ablehnen. Zwei Jahre später wird sich das langsam wandeln, aber dazu später mehr.
Im September 2020 bin ich mit einem Freund am Stadtplatz. Dort ist eine Demonstration der Querdenker angemeldet und neugierig wie ich bin, will ich mir das Ganze einmal ansehen. Ich kann es kurz machen. Ich habe mich selten in meinem Leben so fremd geschämt und musste mich stark zusammen reißen, den lächerlichen Rednern nicht ins Mikro zu schreien. Bis zum Ende hielt ich es nicht durch.

(Fast) unbeschwerter Sommer

Spätestens im Laufe des Juni beginnt die Welle der Infektionen abzuflachen. Noch immer sehe ich tagtäglich die Meldungen. In den USA wird es schlimmer, bei uns ist es recht mild, nicht selten gibt es im Landkreis Traunstein beispielweise nicht einen neuen Infizierten pro Tag. Ich habe über Tinder jemanden kennen gelernt, mit der ich viel Zeit in diesem Sommer verbringe, später auch in Frankfurt. Es fühlt sich frei an, an den Tagen zumindest und an frischer Luft. Das Nacht- und Kulturleben ist nach wie vor weitestgehend kaltgestellt. Ich glaube es machen im August die Kinos wieder auf. Ich schaue mir zB. Tenet an. Es ist eine tolle Zeit, an die ich mich gerne zurück erinnere.
Nach langer Planung fahren wir Mitte August nach Prag und feiern dort über ein Wochenende Andis Junggesellenabschied. Es ist dort wie in einer anderen Welt. Corona scheint zu der Zeit dort keine Rolle zu spielen. Alles ist offen, die Stadt lebt am Tag wie in der Nacht. Bars, (Strip-)Clubs. Vereinzelt wird Fieber gemessen: lachhaft. Es ist ein Junggesellenabschied wie man ihn sich besser kaum wünschen könnte. Und nach diesem Erlebnis keimt in mir zum ersten mal der Gedanke auf, den ich fortan nicht mehr vollständig unterdrücken kann: müsste es denn bei uns in Deutschland wirklich so streng sein wie es ist? Am Tag unserer Rückkehr gewinnt der FC Bayern das eifrig aus der Taufe gehobene Champions League - Endturnier, später im August heiratet meine Freundin Melly in Grassau, Wei Fang, mein Tinder-date ist mit dabei, ein paar weitere Wochen später heiratet Andi seine Kristina in Simbach, ich als Trauzeuge an seiner Seite. Es ist wahrlich der wunderbare Abschluss eines wunderschönen Sommers, den ich in meinem Leben nicht eintauschen möchte. Jedoch: Seit Anfang September steigen die Corona-Fallzahlen, anfangs langsam, ab Oktober dann rasanter. Die ersten melden sich zu Wort, die besserwisserisch ironisch poltern, wie das denn sein könne, wo die (sturen) Politiker in Verantwortung ja so getan hätten, als wäre Corona mit dem Abflauen der Frühlingswelle doch vorbei gewesen. Diesen Leuten möchte ich auch heute noch (das Argument kam auch ein Jahr später wieder aus der Mottenkiste) entgegnen: Was hätte man denn sonst tun sollen? Bei Nullinfektionen die Leute zuhause einsperren? Bei solchem Blödsinn geht mir auch heute noch die Hutschnur hoch. Eine Antwort auf diese Frage wurde selbstverständlich von niemandem je gegeben. Hauptsache neunmalklug irgendetwas rausgehauen.
PS: Zuletzt sei der Vollständigkeit halber und auch fairerweise gesagt, dass nur wenige Wochen nach unserem Besuch in Prag die Fallzahlen dort und in der ganzen Tschechischen Republik durch die Decke gingen und dort ebenso mit Maßnahmen wie bei uns reagiert wurde.

Unworte

In den Jahren der Pandemie hat es an Unworten und Framing-Begriffen, die vermutlich auch so schnell nicht mehr aus dem Sprachgebrauch verschwinden werden, wahrhaftig nicht gemangelt. Mein schlimmstes Wort wird aber eines sein, das mittlerweile Gott sei's gedankt wieder in der Versenkung verschwunden ist: Haushalte! Als im Septemer und nachher natürlich noch mehr, die Infektionszahlen wieder ansteigen kommen Landes- und Bundesregierungen auf einige neue Ideen. Kontaktbeschränkungen durch Limitierung der beteiligten Haushalte. Ein Traum für eine Single-Person. Zwei Haushalte dürfen sich treffen. Ich also einen Freund. Keine Frage, dass Restaurants und Bars im November wieder schließen müssen, zuerst über einen "Lockdown - Light", als dieser nicht wie gewünscht die Zahlen drückt, kommt der harte Lockdown und dauert den halben Herbst und noch über den Winter hinaus bis in den April. Wo genau der Unterschied zwischen "Light" und "Hart" bestand, weiß ich nicht mehr. Was ich weiß ist, dass mich die nicht enden wollenden Einschränkungen mürbe und zunehmend wütend machen. Meine Sehnsucht nach Party und Nachtleben, so illusorisch das zu dieser Zeit auch gewesen sein mag, wird immer stärker. Je länger der Lockdown anhält, desto mehr wächst auch der Unmut in der Bevölkerung über mindestens fragwürdige Maßnahmen wie Rodelverbot für Kinder im Freien, Schottern von Spielplätzen und die obligatorische Ausgangssperre nach beispielsweise 21 Uhr. Stets folgt meinerseits ein Blick ins europäischen Ausland, das - nicht immer aber auch nicht selten - Dinge weniger verkrampft und liberaler handelt. Und da reichte oft ein Blick nach Österreich, nicht etwa Schweden.

Game-Changer

Das folgende Kapitel gehört mit zu den kontroversesten Themen der ganzen Zeit. Hier wurde von so vielen Leuten so viel gesagt, dass es von meiner Seite nicht Not tut, zu erklären worum es geht. Tatsache ist, dass ab Mitte Dezember zuerst in den USA, kurze Zeit später in Europa letztlich von mehreren Herstellern Impfstoffe gegen das Corona-Virus zur Verfügung standen und - vorläufig; an diesem Begriff hängen sich viele bis heute auf  - zugelassen wurden. Es ist müßig zu beschreiben wie anfangs viel zu wenige, heute Abermillionen zu viele Dosen vorhanden waren bzw. sind. Für mich war klar, in der Minute, an dem ich einen abbekommen konnte, würde ich mir meine Dosis abholen. Durch meinen Beruf konnte ich bereits im Mai meine erste und sechs Wochen später meine zweite Impfung bekommen. Gesellschaftlich führte das zu großen Streit, spätestens dann, als gewisse Zugangsbeschränkungen für Geimpfte aufgehoben wurden, Stichwort 3G, 2G(+). Es gab im Herbst 2021 eine Zeit, in der ich mich für kurze Zeit auf Seiten derer wähnte, die eine Impfpflicht befürworteten. Nach einer Weile distanzierte ich mich davon wieder, nicht zuletzt weil ich aus meinem persönlichen Umfeld die Diskriminierung Ungeimpfter (ja, ich finde den Begriff passend) mitbekam. Spätestens nach meiner 3. Impfung im Dezember war für mich klar, dass ich das fast ausschließlich für mich persönlich und wegen der Umgehung von Einschränkungen machte. Es war damals noch nicht abzusehen, das gebe ich zu, aber spätestens jetzt weiß man, dass der Fremdschutz durch die Imfpung, sofern überhaupt vorhanden, statistisch gesehen völlig zu vernachlässigen war.
Letzten Endes bleibt vieles Spekulation. Ich halte es aber für unbestritten, dass die Impfung das Leben von zahllosen betagten und vorerkrankten Menschen rettete. Inwiefern dies auch bei jüngeren Menschen der Fall ist, vermag ich nicht zu beurteilen, habe aber meine Zweifel. Allerdings muss man auch fairerweise sagen, dass mildere Varianten das Virus seit einem guten Jahr sehr viel harmloser gemacht haben, womit wir bei einem neuen Thema wären, dass ich auch hier kurz anschneiden möchte. Wildtyp, Alpha, Gamma, Delta, Omikron, diverse Untervarianten...die Corona Pandemie ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwierig es ist, ein komplexes Thema der Virologie und Epidemiologie einer (Welt-)Bevölkerung nahe zu bringen, die aufgrund des Internets und Social Media in Ihrer Gänze un- und halbinformiert ist. Es ist praktisch unmöglich. Schon allein, weil sich die Wissenschaft oder "Team Science", wie es in aufgeklärten Kreisen heist, selbst in den seltensten Fällen einig sind. Die ganze Kommunikation war von Anfang bis zum Ende ein einziges Trauerspiel. Ich sage das allerdings auch insofern demütig, weil ich absolut keine Lösung für das Problem anzubieten habe.

Sehnsüchte

Als das Jahr 2021 in den Frühling geht, bin ich in einem wirklichen Tief. Ich bin mittlerweile 40 Jahre alt und es mag für viele gleichaltrige ein absurder Gedanke sein, aber ich will nichts mehr als endlich wieder fremde Leute sehen, mich durch Menschenmengen drücken, stickige Luft atmen und tanzen. Ich gehe viel und regelmäßig spazieren. Eines Freitags nach der Arbeit mache ich eine größere Runde, es ist sonnig und warm, auf halber Wegstrecke telefoniere ich mit Fems und wir reden über den Super-League-Skandal im europäischen Fußball (warum diese Erinnerung hier nicht niederschreiben...?). Ich komme über Axdorf zurück nach Haslach. Am Kreisverkehr sehe ich ein Auto, auf der Beifahrerseite (der mir zugewandten Seite) sitzt eine junge Frau, vermutlich Anfang 20. Unsere Blicke treffen sich für ein paar Sekunden. Es versetzt mir geradezu einen Stich. Wie lange habe ich keine junge Person mehr ohne Maske gesehen, die mir in die Augen geschaut hat? Ich will das wieder zurück. Doch wann? Irgendwann auch zu dieser Zeit: Ich habe einen Traum. Ich befinde mich in einer Bar. Es sind viele Leute da, nicht dicht gedrängt, aber schon viele. Ich unterhalte mich angeregt an der Bar. Irgendwann drehe ich mich um 180 Grad und sehe eine riesige Fensterfront. Ich befinde mich nun im Casino in Salzburg und vor der Front sind etliche Polizeiwägen vorgefahren, die diese illegale Party nun sprengen werden. Ich wache auf und fühle mich miserabel. Ich will feiern. Biergarten und Stammtisch mögen meinen engsten Freunden für ein erfülltes gesellschaftliches Leben reichen. Bei mir tut es das nicht. Es ist Sommer. Ich bin mit Lena, Schorsche, Vreni, Micha und noch ein paar anderen im Sailer Keller, bevor der Biergarten sich leert wollen wir noch nicht nach Hause. Wir haben die verrückte, wenngleich abwegige Idee, noch kurz bei der Esso-Bar (über der Villa) vorbei zu schauen. Als wir uns nähern, hören wir im Inneren tatsächlich einige Stimmen. Ein paar Angestellte, vielleicht auch der Besitzer?, sind noch da und wollen gerade zusperren, als wir so gegen halb 12 an der Eingangstüre stehen. Zu unserer großen Überraschung und Freude machen sie noch einmal auf, schmeißen die Musik an und wir setzen uns an die Bar. Was für ein wunderbares Gefühl, nach kurzer Zeit kommen noch einmal ca. zehn Leute. Einige tanzen ein wenig, wir gehen auf die Terasse. Ich bin geradezu glücksbeseelt. Nach einer guten Stunde ist Schluss. Für die Bar ist das Ganze vermutlich dann doch zu unsicher. Was wir da taten war eindeutig nicht erlaubt. Für mich ist es dennoch ein unvergesslicher Abend.
Der Sommer endet, der Herbst naht. Die Infektionsschutzgesetze der Länder und des Bundes sind längst zu einem Buch mit sieben Siegeln verkommen. Doch plötzlich sehe ich etwas, das ich erst kaum glauben kann. Die Villa öffnet am 1.10. ihre Pforten. Ungläubig frage ich im Bekanntenkreis herum. Manchen ist die Sache noch "zu heiß". Für mich ist klar, dass ich da hin will. Wer weiß, was noch kommt? Letzten Endes gehe ich mit einer Azubine aus der Arbeit und ihrem Kumpel. Test oder Impfausweis sind beim Einlass selbstredend Pflicht. Es sind so viele Leute da, es ist unglaublich voll. Ich wandele durch diesen versifften, eklig riechenden und doch so hochgeliebten Ort wie in Trance, treffe unzählige Leute. Es wirkt so unwirklich, ein wenig so, als sehe ich alles aus dem Inneren einer Seifenblase. Eine Woche später komme ich erneut, Ende des Monats bin ich dann noch auf einer Ü30-Party im Schnitzlbaumer, danach ist es mit solcherlei Unterhaltung wieder vorbei. Aber es bleibt das Gefühl, dass es wieder möglich ist und früher oder später wieder kommen wird. Und doch merke ich, dass, wie es so oft im Leben ist, die Realität mit dem Traum nicht Schritt halten kann.

Der Weg

Der Winter 2020/2021 endet. Wir gehen in das zweite "Corona - Jahr". Die klamme Hoffnung, die sich  noch bis in den Spätsommer 2020 in weiten Teilen der Bevölkerung gehalten hat, dass 2021 wieder normales Leben möglich sei, ist nach dem nicht enden wollenden Winter-Lockdown endgültig Geschichte. Weiterhin gibt es nächtliche Ausgangssperren, Maskenpflichten allerorts und Haushalte müssen strikt abgezählt werden, denn theoretisch wartet hinter jeder Hecke ein übelgelaunter Nachbars-Greis, der es bei Verstößen gegen allerlei Verordnungen nicht gut mit einem meint. Es zeichnet sich in Europa ab, dass der/den deutschen (Länder-)Regierung(en) im internationalen Vergleich die Gesundheit der Bürger ganz besonders am Herzen liegt. Merkel wird gegen Ende ihrer weitgehend makellosen und angesehenen Amtszeit mit Ihrer gescheiterten "Oster-Ruhe" noch einmal in ein ungeahntes Fettnäpfchen treten. Es folgt der Sommer und die Nachholung der im Jahr zuvor noch ausgefallenen europaweiten Fußball-Europameisterschaft. Hier wird es besonders deutlich, dass das deutsche Fernsehen und hier ganz besonders der öffentlich rechtliche Rundfunk ihren Bildungsauftrag sehr ernst nehmen. Während fast alle anderen Länder, in denen Spiele stattfinden ihre Stadien weitgehend auslasten, ist es in den Deutschen still. Zuschauerzahlen sind streng begrenzt, selbstverständlich herrscht Maskenpflicht. Da man sich vorstellen kann, dass sich auf den Tribünen kaum einer daran hält wird weniger über Sport, als über die schreckliche Unvernunft der Querdenker-Fans geredet. In anderen Stadien herscht ausgelassene Stimmung, in Deutschland hebt die ARD den Spielern nach dem Spiel aus fünf Metern Entfernung ein in Plastikfolie gewickeltes Mikrofon unter die maskenverpackte Nase. Ich schäme mich jeden Tag ein bisschen mehr für dieses Land. Als der damals noch nicht ministeriale Karl Lauterbach über die vollen Stadien in Ungarn und England gefragt wird, ist er sich sicher, dass dies zehntausende Menschenleben kosten wird. Solche und ähnliche Aussagen bleiben grundsätzlich unkritisiert, ja noch nicht einmal kommentiert, stehen.
Im Juli bin ich mit einer Freundin in Traunstein im Kino. Sie fragt mich ob ich in ein paar Wochen zum "Moments-Festival" in Seebruck kommen möchte. So um die 30 Euro Eintritt würde es kosten. Wäre mir egal, denke ich, endlich wieder fremde Menschen sehen, aber ganz so einfach ist es dann freilich doch nicht. Auf 500 Leute sei die Veranstaltung beschränkt, sagt sie. Wer schon einmal das weitläufige Strandbad in Seebruck gesehen hat, weiß, dass 500 Leute hier alles andere als eine große Zahl sind. Es gäbe auch einen abgesperrten Disco-Bereich, in dem, so berichtet sie, 30 Leute am Tisch mit Maske tanzen dürften. Ich bin begeistert. Während Großbritannien und Dänemark den "Freedom Day" ausrufen (unter massivem Protest der deutschen Regierung und Medien im Einklang, versteht sich) darf ich mitten im Sommer "am Tisch mit Maske tanzen", unter strengem Blick des Ordnungspersonals, wie man zweifelsohne annehmen darf. Ich pfeife darauf. Auf die Veranstaltung, wie auf diejenigen, die jede strenge Maßnahme aufs Blut verteidigen. Ihr habt mich verloren. Schade.

Das Ende

2021 geht. Es ist Silvesterabend. Kurz zuvor hat die neuartige Omikron-Variante das Ruder im Infektionsgeschehen übernommen. Während Experten in einigen wenigen anderen Ländern schon früh zu erkennen glauben, dass die fehlende Krankheitsschwere und Grippeähnlichkeit der Syptome das Ende der Pandemie einläuten sind sich die hiesigen Experten einig, dass wir es sehr bald mit keiner weiteren Infektionswelle, sondern einer "Infektionswand" zu tun bekommen werden. Jens Spahn fällt mit der berühmten Aussage auf, dass bis zum Frühjahr ein jeder entweder geimpft, genesen, oder gestorben sei. Es bleibt dabei, ein pragmatischer, ein wenig unverkrampfterer Umgang mit dem Thema ist aus verschiedenen Gründen hierzulande offensichtlich nach wie vor nicht möglich. In der Regierung herrscht anhaltender Streit zwischen Justizminister Buschmann und dem neuen Gesundheitsminister Lauterbach. Letzterer, als Hardliner mittlerweile weithin bekannt, warnt, befürchtet und verbreitet Panik, als ob es kein Morgen gäbe. Es hilft alles nichts, der Kompromiss steht, den auch Lauterbach missmutig seiner treuen Anhängerschaft verkaufen muss. Anfang April verschwinden Maskenpflicht im Einzelhandel und Restaurants, im März dürfen endgültig Clubs und Bars aufsperren, zunächst noch mit strenger Impf- oder Genesenenkontrolle (das Wort habe ich wohl gerade erfunden), ab April ohne weitere Einschränkungen. Im öffentlichen Regional- und Fernverkehr bleibt es zunächst bei verschiedenen Arten der Maskenpflicht. Wieder einmal macht es die föderale deutsche Kultur sich selber schwer. In meiner Arbeit werde ich noch bis zum 31.1.2023 eine OP-Maske tragen müssen, sobald ich meinen Arbeitsplatz verlasse. Nach und nach normalisiert sich im Laufe des Jahres alles. Weitestgehend stillschweigend. Volle Stadien sind für Moderatoren nun kein Problem mehr. Keiner fragt mehr nach einem Schnelltest oder Impfstatus. Einmal verzichte ich auf einen Besuch mit meinen Freundinnen, weil eine davon - nicht einmal die Gastgeberin selbst - auf einen negativen Schnell/-Selbsttest der Anwesenden besteht. Für mich ist das Ganze erledigt. Ich habe keine Angst mehr. Punkt. Lieber verzichte ich auf diesen Abend, als bei diesem Theater weiter mit zu spielen. Spätestens im Sommer redet kein Mensch in meinem Umfeld mehr darüber. Es fällt mir zunehmend leicht, mir der Richtigkeit meiner Ansicht sicher zu sein. Im Juli bin ich für ein paar Tage auf einem Date in Liechtenstein. Dort, wie auch in der Schweiz hat kein Mensch mehr zu irgendetwas Maske auf, natürlich auch nicht in Bus und Bahn. Vereinzelt ertappe ich mich dabei, wie ich beim Anblick von Personen mit Maske im Supermarkt die Stirn runzle. Ich muss mich selber maßregeln. Ich war und bin ein liberal denkender Mensch. ich bin mir selbst oft nicht mehr im Klaren darüber, was die letzten drei Jahren mit mir und meiner Psyche angestellt haben.
Zum Herbst fängt Minister Lauterbach ein letztes Mal an zu irrlichtern. Sein neues Infektionsschutzgesetz gibt den Ländern die Kompetenz, alles Mögliche zu schließen, und öffentliche Gebäude unter Test-Zwang zu stellen, es sei denn, die letzte Impfung liegt noch nicht länger als drei Monate zurück. Lauterbach übersieht, dass der Wind sich gedreht hat. Nicht eine der 16 Landesregierungen macht, sehr zum Missfallen des Bundesgesundheitsminister, von derlei Möglichkeiten Gebrauch, im Gegenteil. Mehrere Länder kippen die Isolationspflicht, auch die Maske im regionalen ÖPNV fällt Stück für Stück. Es scheint vorbei zu sein. Endgültig.

Schuld und Sühne
Heute, am 11. Februar 2023, während ich diese letzten Zeilen schreibe, denke ich noch einmal darüber nach, was alles passiert ist, was mich glücklich, traurig, verzweifelt und hoffnungsvoll gestimmt hat. Aktuell wird von vielen Seiten gefordert, die Verantwortlichen sollen zur Rechenschaft gezogen werden, sich wenigstens öffentlich mit ihren eigenen Fehleinschätzungen auseinandersetzen. Ganz besonders ist hier natürlich Karl Lauterbach im Blickfeld, der zunächst als Mahner der Nation, ab Dezember 2021 als Bundesgesundheitsminister das Geschehen entscheidend mitbestimmt und gedeutet hat. Eine meiner grundsätzlichen Eigenschaften ist, dass ich ein sehr verzeihender und nicht nachtragender Mensch bin. Jedes Nachtreten, sobald sich der emotionale Hormonspiegel im Gehirn wieder gesetzt hat, ist mir fremd. Wir alle wussten nicht, was da auf uns zurollt und womit diesem Virus am Besten zu begegnen sei. "Schwamm drüber und gut is'", bin ich geneigt als Schlusswort zu resümieren. Und doch. Von Rücktrittsforderungen und "zu Kreuze kriechen" halte ich wie gesagt wenig. Aber jeder Einzelne, der spätestens ab 2021 mit einer unnachahmlichen Selbstüberhöhung die wildesten Dinge von der Bevölkerung gefordert hat und jede berechtigte Kritik daran mit Verweis ins Ausland mit absurdesten Querdenker- und Nazivergleichen delegitimiert hat sei gesagt: Einen Fehler zu machen ist in Ordnung. Aber etwas Demut steht einem Jeden gut zu Gesicht.