Montag, November 04, 2013

Der "Wow"-Effekt

Das Leben eines passionierten Videospielers ist nur so gespickt mit Situationen, die man beeindruckend findet, Momente, die man nicht alle Tage hat, die man nur dann erlebt, wenn einen etwas, meistens etwas Neues oder neuartiges "flasht", wie man neudeutsch sagt. Als jemand, der seine erste Begegnung mit diesem Medium Ende der 80er Jahre mit dem Atari VCS 2600 und dem C64 hatte, wurde ich seitdem in schöner Regelmäßigkeit immer und immer wieder mit geradezu unglaublicher Grafik und Technik konfrontiert, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte, wenngleich schon die kleinen Dinge ein fröhliches Jauchzen in mir hervorriefen. Sei es, als ich zum ersten mal den Farb-Bildschirm eines Game Gear sah, selber Hand an ein NES-Pad mit Super Mario Bros legen durfte oder bei einem anderen Freund daheim die farbenprächtige 16-Bit Optik eines Amiga 500 bestaunen durfte. Bis in die Mitte der 90er hinein verschwimmen diese Eindrücke ein wenig, da ich mir weder zum Erstverkaufstag eine nagelneue Technik leisten, noch sie auch nur - eben ganz aktuell - anderswo bewundern konnte oder durfte. So blieben die Magazine meine Verbindung zur Aktualität auch wenn es natürlich schwer war, sich immer ein Bild zu machen, vor allem da sich zu jener Zeit diese Bilder auch nicht bewegten.
Gerade für einen Konsolenspieler gibt es kaum eine aufregendere Phase als die eines Generationswechsels und wahrscheinlich war die aufregendste solche die, als der Wechsel von 2D-Sprites hin zu 3D-Polygongrafik anstand. Natürlich war das ganze nicht vollkommen "neu", denn zum einen gab es dahin natürlich einen kontinuierlichen Weg, der auch schon zu 16-Bit Zeiten immer wieder mit der beschränkten Technik zu beschreiten versucht wurde (Starfox auf SNES oder Virtua Racing auf Mega Drive), zum anderen war der PC, auf den man zwangsläufig auch ein wenig neidisch schielte spätestens seit "Doom" in der schönen 3D-Welt angekommen und selbstverständlich kam man nicht umhin, in den Arcades stets einen Blick in die nähere Zukunft werfen zu können. Abgesehen davon war es natürlich dennoch etwas Außergewöhnliches, diese bombastische Grafik im heimischen Wohnzimmer zocken zu können.

Als ich also die Power der PSX bei einem Freund zum ersten mal gesehen hatte, war ich wie im Wahn und wusste, dass ich das auch für mich brauchte. Einge Monate später, im September 1996 konnte ich mit meiner Playstation endlich eine aktuelle Konsole mein Eigen nennen und ich genoss die schöne neue 3D-Welt in vollen Zügen. Ich war davon überzeugt, dass die Grafik unfassbar gut sei und die FMV-Sequenzen waren, trotz unerreichbarer Schönheit, das i-Tüpfelchen auf dem Ganzen.
Als ein knappes Jahr später das N64 kam war ich anfangs auch schwer beeindruckt aber bei genauerem Hinsehen zeigte sich, dass dort auch nicht alles Gold war das glänzte und somit kein wirklich bedeutender neuer Schritt möglich war. Dies änderte sich erst wieder im Jahr 1998 mit Erscheinen von Segas Dreamcast-Konsole.
Als sie in Europa im Oktober 1999 erschien gehörte ich zu den Erstkäufern und ich weiß noch wie heute, wie glücklich ich damit war. Die detaillierte wunderschön texturierte Welt eines Sonic Adventures pustete mir glatt mein Gehirn weg. Oft stand ich minutenlang einfach nur herum und sog die Umgebung in mich auf. In der kurzen Lebensspanne des Dreamcast hatte ich wohl dann auch mit Soul Calibur oder Shenmue weitere gigantische Eindrücke zu verarbeiten die mich stellenweise mit "offenem Mund" zurück ließen. Freilich gab es später in der Generation nach dem "Tod" des Dreamcast auf PS2, Gamecube und Xbox viele weitere schöne Spiele doch nie stellte es mir mehr so die Nackenhaare auf wie bei Segas blauem Kringel, schon weil diese Generation bis weit in 2006, nimmt man Nintendos Wii noch mit dazu, fast bis heute währt.
Als Mitte der 00er Jahre das HD-Zeitalter anbrach, war es Microsoft, die Ende 2005 mit der Xbox 360 die neue Konsolengeneration einläuteten. Zwar betrat ich erst im Oktober 2008 mit der PS3 den Bereich dieser Generation, doch auch hier war ich von der neuen Grafikpracht nahezu hellauf begeistert. Die Steigerung der Texturqualität hin zum Fotorealismus, die Lichteffekte, die meist konstant hohe framerate und der schnelle Spielfluss an sich war etwas, das es in dieser Qualität bisher nicht annähernd gegeben hat. Freilich war dies - innerhalb der 3D-Grafik - nur der nächste konsequente technische Schritt, doch wenn ich an die Verfolgungsjagd in Metal Gear Solid 4, die hollywoodreife Action in Uncharted 2 oder auch die knackscharfen Indoor-Anlagen eines Mirror's Edge denke (alles persönliche Erfahrungen), so muss ich doch sagen, dass es diese Generation tatsächlich in sich hatte und uns wirklich bis heute (The Last Of Us) mit Optik auf allerhöchstem Niveau verwöhnt. 8 Jahre sind eine lange Zeit, seitdem die XBox 360 sich zum ersten mal in den Händlerregalen breit machte. In Kürze folgt nun fast zeitgleich mit PS4 und Xboxone die nächste Generation und wieder einmal kann ich als Gamer die Vorfreude kaum verbergen, denn beim Anblick der ersten Spiele heißt es sodann wieder: Wow...
...was zum Teufel ist hier denn passiert?? Habe ich aus Versehen meine PS3 angeschlossen? Im Ernst: Natürlich ist es schwer, in dieser Phase in der es nicht mehr um Polygonpower geht, sondern eher detaillierte Effekte und Texturen den Unterschied ausmachen die selbe Wirkung auf die Spieler zu erzielen wie beim Sprung auf die neue HD-Technik. Und dennoch bin schwer enttäuscht und ernüchtert, denn ich tue mich schon bei Videos schwer, einen technischen Unterschied zur (noch) aktuellen Generation zu entdecken, bei Bildern bin ich erst recht außerstande einen zu erkennen. Freilich wird in einigen Jahren die neue Power zur Geltung kommen, ein God of War 2 ist schließlich auch nicht mit einem Fantavision vergleichbar. Und dennoch wünschte ich mir gerade zu Beginn einer neuen Konsolen-Ära etwas, das mir eben sofort ins Auge springt und mich mitreißt.

Und etwas solches sehe ich beim besten Willen weit und breit nicht. Schade.

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