Freitag, April 06, 2007

Salto Rückwärts

Ich bin single!

Was versteht man unter einer solchen kurzen Aussage? Versteht man jemanden, der bei einem heißen nächtlichen Flirt mit hochgezogener Braue diese drei Worte als Trumpfkarte aus seinem Deck zieht? Versteht man darunter jemanden, der nach langjähriger Beziehung seinem besten Freund tränenerfüllt und voller Schock leise diese Worte ins Telefon flüstert? Versteht man gar darunter jemanden, der als Mitt-Dreißiger seinem Psychologen als Einleitung für seine traurige Geschickte diese Worte haucht um seine depressive Torschlusspanik behandeln zu lassen?
Die Welt des Liebens und geliebt Werdens war noch nie die meine. Zu oft wurden meine Gefühle für eine Frau mit Füßen getreten, als dass man mein Leben mit diesem doch so essentiellen Part des Selben als normal bezeichnen könnte. Aber bevor ich mich mit gestreckten Füßen auf einer roten Ledercouch wiederfinde, um mein Innerstes nach außen zu kehren habe ich noch eine vierte Variante anzubieten.
Ich bin single, weil ich mein altes single-Leben als Quell der Lebensfreude unterschätzt habe. Ich bin single, weil ich vergessen habe, wie viel mir meine Freiheit bedeutet. Ich bin single, weil ich trotz beispielloser Zuneigung, die ich in den letzten Wochen erfuhr, nicht vergessen habe wie sich verliebt sein anfühlen muss.
Wie komme ich zu diesen seltsamen Gedanken?

Nun, schauen wir erst einmal ein paar Wochen zurück auf den 10. März 2007.

Das übliche Prozedere. Samstagabend Vorglühen bei Moa, anschließend Sailer Keller Nights, eines der Events, die ich in Traunstein sehr gerne Besuche, aber dies nur am Rande. Gut angeheitert kamen wir schon an, es schien ein Abend wie viele andere zu werden. Ich hatte schon etliche Freunde und Bekannte von mir gesehen, ja ich freute mich auf den Abend. Plötzlich trafen Wolfe und ich eine Freundin von ihm, die sich mir als Lissi vorstellte. Ich erinnerte mich daran, sie schon einmal zuvor kurz gesehen zu haben. Sie interessierte mich, sie war nett, hübsch und hatte offenbar auch Lust, sich mit mir zu unterhalten. Wir verbrachten unsere Zeit gemeinsam bis in die frühen Morgenstunden an der Bar im Traxx und ich hatte eine tolle Zeit mit ihr. Sie erzählte mir vieles von ihrem schicksalshaften Leben und ich war - so denke ich - ein guter Zuhörer. Wir gingen dann anschließend hinaus und verabschiedeten uns, als der Weg die beiden turtelnden Fußgänger trennte. Ein Abend, wie viele andere? Ja und Nein. Ja, weil ich schon öfter mit Frauen, die ich kaum kenne tiefschürfende Gespräche geführt habe und sich unsere Wege auf quasi identische Weise entzweigten. Nein, weil ich dieses seltsame Gefühl hatte, in ihren Augen etwas zu sehen, was ich sonst nicht sehen konnte. Am darauffolgenden Sonntag hatten wir herrliches Wetter und sie fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihr an den See zu fahren. Das taten wir dann und erlebten zusammen einen weiteren wunderschönen Tag, der damit endete, dass sie anschließend noch bei mir war und wir uns später in immer noch rein freundschaftlicher Art verabschiedeten. Kein Kuss, keine intime Umarmung. Jedoch gab es ein erwähnenswertes Detail. Mehr nebenbei erwähnte ich, dass ich meine Wohnung als nicht besonders schön empfinde und gerne etwas an meiner Einrichtung ändern würde, ganz einfach, dass es wohnlicher aussieht. Das nächste mal sahen wir uns am Dienstag und was hier geschah, war in jedem Maße außergewöhnlich. Sie brachte mir eine ganze Kiste mit Geschenken, Vorhängen, selbstgebastelten und gemalten Boxen und Bildern. Alles, was man sich nur vorstellen kann. Ich war ohne die geringste Übertreibung überwältigt von so viel Güte und Herzlichkeit, dass ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Einige Sachen waren gar noch nicht komplett und sie hatte schon Pläne, wie und wann sie die nächsten Teile mitnehmen würde.
War es das?
War es das, worauf ich so lange gewartet hatte?
War diese Frau das Gottesgeschenk, für den ich ihn ob der langen Warte- und Leidenszeit so viele Male verflucht habe?
Ja, sagte ich mir. Das muss es sein. Am Samstag, den 24. März war es soweit, dass ich meinen Mut zusammen nahm und sie fragte, wie sie das sieht und auf welchen Weg wir uns befänden. Sie sagte, sie glaube, ich könnte der richtige sein und dass sie gerne mit mir zusammen wäre. Auch ich war dieser Meinung und glaubte, dass wir es zusammen probieren sollten. Ich fühlte mich bei ihr geborgen und ich konnte etwas spüren, dass ich so lange Zeit nicht mehr von einem Menschen gefühlt habe. Das Gefühl, geliebt zu werden. Ich machte ihr trotzdem klar, dass ich ein Mensch bin, der gerne alleine ist, der seine Freiheiten braucht, der sein Hobby braucht, der seine Freunde braucht und der - wie kann es auch anders sein - in Fragen der partnerschaftlichen Beziehung natürlich auch unerfahren und unbeholfen ist. Sie akzeptierte das und es ging weiter. Sie machte mir fast täglich Geschenke, kochte Essen und wartete geduldig und nachsichtig auf mich, wenn ich meinen Pflichten wie Arbeit und Theaterverein in leider zu dieser Zeit allzu großzügiger Art nachkam. Sie war dabei, wenn ich mit meinen Freunden Fußball schaute, ja sie war sogar mit dabei auf dem alle fünf Jahre stattfindenen "Mayer-Fest" dieses mal in Vachendorf. Ich hatte sie zu all diesen Sachen nicht gebeten, sie wollte aus freien Stücken mit dabei sein und ich sagte natürlich nichts dagegen.
Und trotzdem waren es genau diese Momente, bei denen ich ins Zweifeln geriet. Wollte ich, dass eine Frau künftig bei Fußballspielen der Nationalmannschaft von nun an an meiner Seite sitzt? Wollte ich, dass meine Freundin, die ich erst seit so kurzer Zeit kenne, bei einem Familienfest zugegen ist, bei dem ich selbst kaum jemanden kenne und zu dem ich unter anderen Umständen vielleicht nicht einmal selber hingegangen wäre? Wollte ich, dass ich künftig nach getaner Arbeit, wenn ich daheim in Ruhe und allein meinen Hobbys nachgehen will, ein schlechtes Gewissen haben muss, wenn ich ihr absage? Wollte ich das alles?

Wer weiß, ob ich das auf mich genommen hätte? Ich konnte nur eines tun. In mich hinein horchen und feststellen, wie stark meine Gefühle wirklich für sie waren. Doch diese Reise wurde zum Anfang vom Ende unserer kurzen Beziehung. Ich konnte klar fühlen, dass ich keine Liebe zu ihr empfand. Das Verlangen nach sowohl mentaler als auch körperlicher Nähe war einfach nicht da, so sehr ich mich auch bemühte etwas zu finden. Was konnte ich denn tun? Ich musste es ihr sagen oder sollte ich doch noch warten, ob die Gefühle zuletzt noch auftauchen. Sie kamen nicht.
Das ganze wurde mir mehr oder weniger bewusst, kurz bevor wir (Fems, Wolfe und ich) nach Wien fuhren. Ich musste nun mit dieser Lebenslüge umgehen und war von ihr erfüllt. Wolfe, der bekanntermaßen gut mit Lissi befreundet ist und sie mehrmals als eine Art Schwester bezeichnete, machte es mir besonders schwer. Er unterstellte mir am laufenden Band mein Verliebtsein und meine aufkeimenden Frühlingsgefühle. So gut ich konnte machte ich hier gute Miene zum bösen Spiel, doch jedes weitere mal wuchs in mir die Gewissheit heran, dass diese Beziehung nicht mehr länger andauern konnte. Die Würfel waren gefallen.
Spätestens am Dienstag, den 3. April wusste ich, dass ich es tun musste, dass ich es bald tun musste. Die Gewissheit, dass sie sowohl für meine Familie als auch für meinen Opa schon Oster- und Geburtstagsgeschenke vorbereitet hatte, machte die Entscheidung bei Gott nicht einfacher, aber ich hatte keine Wahl. Was hätte sie als nächstes für mich getan, was als nächstes mir geschenkt, wenn nicht schon ihr Herz? Gestern Abend war es soweit. Sie war bei mir und ich nahm all meinen Mut zusammen und versuchte es ihr so wenig verletzend wie möglich beizubringen. Nicht selten habe ich mich schon auf der anderen Seite befunden und oft ist mit mir nicht gerade zimperlich umgegangen worden. Trotzdem hasse ich es, Menschen zu verletzen, noch dazu wenn es sich um einen so liebenswerten handelt wie sie.
Und doch war es die richtige Entscheidung, die einzige die ich hatte. Ob es der richtige Zeitpunkt war weiß ich nicht. Ich glaube es gibt keine richtigen Zeitpunkte für so etwas.
Es ist geschehen, ich habe mein altes Leben zurück. Und obwohl ich mich immer noch schlecht fühle und aufgewühlt bin, bin ich zurück in meiner so geliebten und oftmals unterschätzten Freiheit. Ich bin single!

Was bedeutet nun Liebe für mich? Ist es die fortwährende Suche nach dem Weltschmerz, der sich eines schönen Tages als die Pforte ins Paradies für mich entpuppt. Wer weiß? Ich weiß nur, dass ich für sie keine Liebe empfunden habe. Ich hätte so nicht leben können.

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