Sonntag, Mai 01, 2011

Am Anfang war der Carsten

Phase 1: Ring Frei! Catchen

Es ist kaum zu glauben, aber ich kann etwas nicht mehr eindeutig datieren. Es muss wohl im Herbst 1990 oder womöglich auch 1991 gewesen sein. Es geht um meine erste Berührung mit dem Wrestling im Allgemeinen und der damaligen WWF im Besonderen. Für 1991 spricht, dass, sofern ich mich recht erinnere, schon in den ersten Sendungen, die ich mir ansah, der Undertaker mit dabei war und dieser erst Ende 90 sein Debüt in der WWF gab. An jenem Tag war der Poppey bei mir, wir spielten draußen gegen das Garagentor Fußball. Ich kann mich noch erinnern, dass er sagte, ich müsse abends unbedingt Ring Frei! Catchen auf Tele 5 anschauen, weil dieses mal kämpfe der Beste, nämlich Hulk Hogan gegen einen üblen Fiesling. Der üble Fiesling war Sgt. Slaughter und wenn mich meine Erinnerung nicht trügt wurde dieser vom Hulk an jenem Abend dem Erdboden gleich gemacht. Ich weiß nicht mehr ob ich mehr begeistert oder beeindruckt war von dem, was sich mir da darbot. Schon eine Zeit davor wurde bei mir in der Grundschule das ein oder andere mal über dieses "Catchen" gesprochen, ich glaube der Sieler Christian und der Mayer Markus hatten mehrmals erwähnt, wie cool diese Art des Ringkampfes sei. Wenn überhaupt kannte ich zuvor nur das gewöhnliche Boxen, was ich damals nicht besonders interessant fand. Aber das hier war etwas ganz anderes, etwas unglaubliches!
Nicht nur, dass sich die Kontrahenten im Ring fernab von langweiligen Faustschlägen mit allem was Ihnen zur Verfügung stand beharkten. Es wurde gekratzt, getreten, an den Haaren gezogen, die gewaltigen Leiber wurden gegenseitig herumgeworfen und auf den Boden geschmettert, dass es eine wahre Freude war. Davon abgesehen hatte jeder dieser sogenannten Superstars eine Geschichte zu erzählen. Auf der einen Seite die guten, denen alle zujubelten, die für die gute Sache einstanden, für den Frieden der Welt, freundlich lachend, mit der amerikanischen Fahne schwenkend. Auf der anderen Seite die gemeinen Fieslinge, die üblen Schurken, antiamerikanisch, spuckend, fluchend, keine Gelegenheit auslassend, den strahlenden Helden in den Rücken zu fallen, stets mit unfairen Mitteln zur Stelle. Hier kämpfte schwarz gegen weiß, gut gegen böse und es war völlig klar, zu welcher Seite man sich zu bekennen hatte. Und das lag nicht zuletzt daran, dass ein gewisser Carsten Schäfer, damals noch in kommentatorischer Begleitung seiner damaligen Tele 5 - Kollegin Uli Fesseler, dem Zuschauer unzweifelhaft klarmachte, welcher Wrestler angefeuert werden durfte und welcher nicht.
So zogen viele Wochen ins Land und jeden Freitag Abend um 21:15 Uhr hieß es dann folgerichtig: Ring Frei! Catchen. Ich hatte das Glück, dass meine Mutter in Ermangelung mehrer TV - Geräte sich meist erweichen ließ, die Sendungen mit mir anzusehen. Wahrscheinlich lag dies vor allem darin begründet, dass ihr ein gewisser Davey Boy Smith, auch bekannt als British Bulldog, gut gefiel und dieser in den damaligen Sendungen oft gezeigt wurde. Ich machte damals auch Bekanntschaft mit den zwei zu der Zeit für mich beeindruckendsten Figuren der WWF. Dem Ultimate Warrior und natürlich dem Undertaker. Während ersterer durch seine pure Kraft und Power jeden Gegner förmlich überrannte, hatte ich vor dem Undertaker schlicht und ergreifend Angst. Es gab nicht einen Gegner, der ihm auch nur annähernd das Wasser reichen, geschweige denn ihn besiegen konnte, er schien sogar frei von Schmerzen oder Erschöpfung jedweder Art zu sein. Zu seinen zahlreichen Opfern an die ich mich erinnern konnte zählten unter anderem der Matrose Tugboat (später Typhoon) und der bereits genannte British Bulldog. Irgendwann gerieten bei einem Interview des Warriors die beiden aneinander und der Warrior wurde vom Undertaker bei lebendigem Leibe in einen Sarg gezwungen. Ich war so aufgewühlt, dass ich es kaum mit ansehen konnte. Am Allertollsten aber waren zwei Kämpfe des Undertakers gegen Hulk Hogan. Während beim ersten Kampf der Hulk kaum eine Chance hatte war der wenig später stattfindende Rückkampf wesentlich ausgeglichener und Hulk Hogan konnte eine Unachtsamkeit des Undertakers nutzen und ihn erstmals pinnen. Es war zwar dem Pin eine kleine Regelwidrigkeit vorausgegangen aber nichtsdestotrotz verlor der Undertaker durch diese Niederlage eine Spur seiner Unbesiegbarkeit und so schwand auch meine Angst vor ihm. Meiner Begeisterung für diesen "Sport" tat dies jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil. Ende des Jahres 1992 allerdings wurde mir eine vorübergehende Zwangspause verordnet. Tele 5 stellte zum 31.12 seinen Sendebetrieb ein. Carsten Schäfer - mittlerweile allein kommentierend - hatte fürs Erste seine Schuldigkeit getan.

Phase 2: Wunderbare Jahre

Was nach den ersten paar Jahren von mir abfiel war das, was ich gegenüber den Kämpfern, den Figuren als Ehrfurcht, was den Undertaker betraf als Angst bezeichnen würde. Dies lag an zweierlei Dingen:

1. Ich wurde natürlich ein wenig älter.
2. Gerüchte machten die Runde, die Kämpfe seien nicht echt, sondern abgesprochen, der Sieger von vorneweg fest gelegt.

Wie bitte? Ich konnte das einfach nicht glauben. Nein, es durfte schlichtweg nicht wahr sein. Zugegeben, manche Schläge und Tritte sahen schon sehr seltsam aus und warum niemand derer, welche die Schläge einsteckten die eigenen Arme hob um ähnlich wie beim Boxen die Fäuste des Gegners abzuwehren war auch merkwürdig und dennoch, die eigentlichen, spektakulären Techniken sahen ganz einfach zu echt aus. Yokozunas Bonzai Drop ein Fake? Undertakers ultimatives Knockout - Instrument der Tombstone Piledriver lediglich eine gute Show? Ganz sicher nicht! Solche Aktionen konnten unmöglich künstlich sein!
Ich beschloss, den Gedanken im Hinterkopf zu bewahren aber zu verdrängen. Nachdem schon kurz nach dem Ende von Tele 5 der an anderer Stelle neu entstandene Sender RTL 2 die Sendungen ausstrahlte – ich erinnerte mich hier an meine große Freude, als in der Hauptschule Tobi Kühnhauser zu mir sagte, RTL 2 sei so super, da käme fast den ganzen Tag nur Wrestling – folgten mit die großartigsten Jahre. Wrestling wurde ein fester Bestandteil meiner Hobbys, ja meines Lebens. Ich will hier nur einige dieser Momente aufzählen:

1993:

- Bret Hart und Shawn Michaels werden zu Superstars der 2. Generation und heben das Niveau beträchtlich
- der Undertaker wird zum Babyface und seine Popularität steigt ins Unermessliche
- nur eine Regelwidrigkeit von Mr. Fuji kann den Sieg von Bret Hart über den mächtigen Yokozuna verhindern, Hulk Hogan ist der Nutznießer und wird erneut Champion
- der unsympathische „Narcissist“ Lex Luger bodyslamt am Unabhängigkeitstag der USA auf einem Flugzeugträger Yokuzuna und wird zum neuen gefeierten Superstar

1994:

- beim Royal Rumble bei der Battle Royal gewinnen Bret Hart und Lex Luger gleichzeitig und sichern sich damit beide ein Titelmatch bei Wrestlemania X
- der Royal Rumble bleigt unvergessen durch das Sargmatch von Yokuzuna gegen den Undertaker. Als der Undertaker von sämtlichen „Bösewichten“ der WWF vermöbelt und in den Sarg verbracht wird, stockt allen der Atem als er plötzlich unter Blitzen auf der Leinwand seine Rache ankündigt
- die Bruderfehde zwischen Bret und Owen Hart setzt technisch neue Maßstäbe
- das Leitermatch zwischen Razor Ramon und dem Heartbreak Kid bei WM X geht als eines der besten Matches aller Zeiten in die Geschichte ein.
- beim Summerslam kommt es zum spektakulären Match zwischen dem Undertaker von Ted Di Biase und dem Undertaker von Paul Bearer. Der „richtige“ Undertaker besiegt die „Fälschung“ letztlich mit 3 Tombstones in Folge.

1995:

- die WWF ist auf dem einstweiligen Zenit ihrer Popularität angekommen, vor allem in Deutschland. Gastauftritte bekannter Stars wie Pamela Anderson werden zur Regel
- Shawn Michaels, Bret Hart und Diesel werden zu den neuen Standpfeilern der WWF und treten endgültig aus dem Schatten von Hogan, Savage und dem Warrior
- Bam Bam Bigelow wird bei Wrestlemania XI vom Football Star Lawrence Taylor besiegt, live am Ring sind zum ersten und bisher auch einzigen mal die deutschen Kommentatoren Carsten Schäfer und sein neuer Co-Kommentator Günter Zapf

Es waren wirklich tolle Jahre. Für mich als Teenager auf jeden Fall eine Zeit, an die ich gerne zurück denke, auch heute noch. Spätestens Ende des Jahres machte sich jedoch etwas bemerkbar, das ich zuvor weitgehend ignoriert und belächelt hatte. Die Konkurrenz in Form der WCW, ihrerseits ein Konstrukt des mächtigen Medienmoguls Ted Turner, erwachte plötzlich mit Pauken und Trompeten aus ihrem Dornröschenschlaf.

Phase 3: Die WCW startet durch

Während ich wenn man so will mit der WWF groß geworden bin, merkte ich spätestens ab dem Zeitpunkt, als das DSF auf dem gleichen Platz des bereits erwähnten Tele 5 auf Sendung gegangen war, dass es mehrere Wrestlingligen gab. Die nach der WWF bedeutendste war die WCW. DSF übertrug soweit ich mich erinnere immer am Wochenende und ab und an war es schon ganz witzig anzuschauen. Zum Einen, weil das Kommentatorenduo, bestehend aus Oli M. und dem ehemaligen Wrestler Peter William in Sachen Fanatismus den beiden Streithähnen Schäfer und Zapf in nichts nachstanden und zum Anderen, weil man bemerken konnte, dass dort immer mehr Wrestler auftauchten, die bei der WWF urplötzlich von der Bildfläche verschwunden waren. Randy Savage, Ric Flair, der Big Bossman und allen voran natürlich Hulk Hogan, um nur einige zu nennen. Teilweise traten sie als die selbe Figur auf, manchmal änderte man ihren Charakter ein wenig.
Ich selbst zog mich ab dem Jahr 1996 immer weiter aus dem Geschehen zurück. Die Faszination der Anfangsjahre war weitestgehend einer gewissen Routine gewichen. Zu wenig Neues wurde mir in der WWF geboten, als dass ich noch mit dem selben Enthusiasmus bei der Sache hätte sein können. Richtig ernst nehmen konnte ich die WCW als Konkurrenten dennoch nicht. Der Ring war um einiges kleiner, mittlerweile zwar abgeschaffte Regeln wie die Disqualifikation beim Überqueren des obersten Ringseils ließen die Action irgendwie lächerlich erscheinen. Mit am schlimmsten aber war für mich, dass ich mich mittlerweile endgültig damit abgefunden hatte, dass dort alles reine Show war, dass die Kämpfe abgesprochen waren. An der Härte und der Durschlagskraft der ein oder anderen Ringaktion hatte ich aber dennoch keine Zweifel. Als 1996 schließlich auch noch Razor Ramon alias Scott Hall und Diesel alias Kevin Nash die WWF in Richtung WCW verließen machte ich mir erstmals Sorgen um die Zukunft „meiner“ Liga, denn in der WCW entstand etwas Neues, über das selbst in Teilen meines Freundeskreises diskutiert wurde. Die „Stables“, also Gruppierungen wurden zum großen Hit. Zwar gab es auch in der Vergangenheit schon die ein oder anderen Gruppierungen verschiedener Wrestler, die sich zeitweise zusammenschlossen, wie die Four Horsemen oder die Hart Foundation, jedoch kam deren Bedeutung selten über die von gewöhnlichen Tag Teams hinaus. Die WCW jedoch hatte die Idee, dass die Zukunft des Wrestlings nicht allein von der Action im Ring abhing, sondern gleichermaßen von dem, was rund herum geschieht. Ebenso wichtig wie die Fähigkeiten im Ring sollte ab sofort die Fähigkeit am Mikrofon sein. Als der zum Heel geturnte Hulk Hogan, sich mittlerweile Hollywood Hogan nennend, zusammen mit Nash und Hall die new World order, die nWo gründete, war ein neues Zeitalter im Wrestling oder wie es heute auch heißt, im Sports Entertainment, angebrochen.
Die Dominanz der WCW bei den sogenannten Montagskriegen, die den Kampf um Einschaltquoten der parallel laufenden WCW- (Monday Nitro) und WWF- (Monday Night RAW) Sendungen bezeichnete, setzte sich im Jahr 1997 weiter fort. Die WWF hatte die Zeichen der Zeit aber erkannt und versuchte immer mehr, die WCW zu kopieren. Dies gelang halbwegs mit der Gründung der D-Generation X, der zeitweise Shawn Michaels, Rick Rude, Triple H und Chyna angehörten sowie auch mit der von Farooq angeführten Nation of Domination. Man hielt sich über Wasser, der Erfolg vergangener Zeiten mochte sich aber noch nicht recht einstellen, zu dominant war mittlerweile die Macht der WCW mit ihren unzähligen großen Namen, während die WWF zu dieser Zeit mit einem ausgesprochen dünnen Roster zu kämpfen hatte.
Interessant zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass mittlerweile das DSF sich ebenfalls die Rechte an der Ausstrahlung der WWF gesichert hatte. Die Shows beider Ligen waren somit auf dem gleichen Sender zu sehen. RAW am Samstag in der vollen zweistündigen Länge. Ich war wieder mehr interessiert und schaute erneut regelmäßig. Die schwächelnde WWF hatte mein Interesse zurück erobert. Leider war dies aber nur von kurzer Dauer, da das DSF die WWF Ende des Jahres 1997 nach dem legendären Montreal Screwjob gegen Bret Hart nicht mehr ausstrahlte. Es begann eine Zeit von beinahe einem Jahr, in dem ich Wrestling praktisch nicht mehr verfolgte.

Phase 4: Die Attitude - Ära

Noch Ende des Jahres 1997 ging endgültig der Stern eines Mannes auf, der in der Auseinandersetzung der beiden Ligen die Wende bringen und der WWF zu ungeahnter Popularität verhelfen sollte. Die Rede ist von „Stone Cold“ Steve Austin. WWF Boss Vince Mc Mahon setzte dieses mal alles auf eine Karte. Zum Main Event von Wrestlemania XIV wurde Boxstar Mike Tyson in einer Storyline zum Gastringrichter beim Match zwischen Shawn Michaels und Steve Austin auserkoren. Der vermeintlich eher für Austin sympathisierende Tyson zeigte sich am Ende des Matches aber von seiner üblen Seite und wurde als Mitglied der D-Generation X entlarvt. Ab diesem Zeitpunkt war die Zeit der Helden und der bunten Gimmicks endgültig vorbei. Die WWF änderte ihre Ausrichtung, ihre Einstellung, wurde ernster, edgy, wie man sagen könnte. Auch das langjährige Logo der WWF wurde geändert. Das vom diesem Zeitpunkt an verwendete gibt es bis heute. Das schwarzweiß - Denken vergangener Tage gehörte der Vergangenheit an, ab sofort gab es eine Vielzahl Outlaws, weder Babyface noch Heel, mit einem Steve Austin an der Spitze, der eine Popularität erreichte, wie es sie seit Hulk Hogan nicht mehr gab. Es begann das, was heute als die Attitude – Ära bezeichnet wird. Neben Austin wurden noch andere Superstars aufgebaut. Triple H trat aus dem Schatten des chronisch rückengeschädigten Shawn Michaels, Mick Foley wurde von der ECW verpflichtet, Kane trat mit einem ähnlichen Gimmick in eine Dauerkonkurrenz mit dem Undertaker und Rocky „The Rock“ Maivia ließ schon in noch jungen Jahren gelegentlich das Talent am Mikrofon aufblitzen, das ihn später zum wohl spektakulärsten Entertainer machte, den das Wrestling je gesehen hat.
Auf der anderen Seite kämpfte die WCW mit einem stetig älter werdenden Kader. WWF – Fans ätzten schon mit WCW = Wheel Chair Wrestling – Plakaten in Richtung Atlanta. Zwar konnte die WCW mit dem nibelungentreuen Sting, dem „Giant“ Paul Weight sowie Bill Goldberg selber hochkarätige Eigengewächse aufbauen, es blieb jedoch das Problem, dass in der WCW keine straffe Hierarchie vorherrschte. Oberboss Ted Turner drehte zwar weitgehend den Geldhahn auf, hielt sich aber aus dem operativen Geschäft heraus. Und WCW – Boss Eric Bishoff hatte nicht den notwendigen Respekt bei der Vielzahl an Stars. Egal ob Nash, Hall oder Hogan, alle wollten im Booking mit beteiligt sein und möglichst nicht schlecht dastehen. Diese Einstellung bedeutete letztlich den Stillstand, da sich die nWo – Story mit der Zeit totlief und es an neuen, frischen Ideen mangelte.
Ende des Jahres 1998 kehrte die WWF wieder ins Free-TV, genauer gesagt zum Sender RTL 2 zurück und strahlte in einer Aufzeichnung das letzte Großereignis, die Survivor Series aus. Fems, der auch schon lange Zeit mal mehr mal weniger intensiv Wrestling verfolgte und ich beschlossen, die Veranstaltung zusammen anszuschauen. Auch hatten wir damit etwas gefunden, womit wir mit unserem Kumpel Pauler, der aufgrund eines Unfalls im Fußballtraining und eines daraus resultierenden Schienbeinbruchs zu dieser Zeit bettlägrig war, Zeit verbringen konnten. Wir waren alle drei sehr begeistert von der neuen Art der Show und beschlossen, bei der Sache zu bleiben. Wöchentlich zeigte RTL 2 mit knapp zweiwöchiger Verspätung die Sendung RAW sowie zeitnah zur Veranstaltung über das Jahr verteilt die 5 klassischen pay per views (Royal Rumble, Wrestlemania, King of the Ring, Summerslam und Survivor Series). Ich begann langsam, wieder ein richtiger Fan zu werden. Mit dabei am deutschen Mirkofon unverändert waren Carsten Schäfer und Günter Zapf. Auch wenn vor allem ersterer gewaltig nerven konnte und kann, nahm man ihm zumindest die Begeisterung, die er nach so vielen Jahren immer noch an den Tag legte nach wie vor ab und in einem Business, in dem sich immer wieder so viel änderte, hatte es auch etwas beruhigendes, wenn manche Dinge konstant blieben. Irgendwann Anfang des Jahres 1999 kaufte ich mir, ich weiß noch, es war im Edeka (damals glaub ich noch Spar) am Maxplatz in Traunstein, das offizielle WWF – Magazin. Ein Titelthema handelte davon, wie Shawn Michaels von Mitgliedern des Mc Mahon – Clans angeblich angefahren wurde und nun in Behandlung ist, angereichert mit aller nur erdenklichen Theatralik. Zwar nahm ich nicht alles was darin stand für bare Münze, im Grundsatz dachte ich mir aber schon, dass der Kern daran wahr sein konnte. Zur gleichen Zeit waren die RAW – Sendungen auf RTL 2 immer von einer Wrestling Fachzeitschrift, der monatlich erscheinenden Power Wrestling, präsentiert. Ich glaube es war der Pauler, der meinte, wir sollten uns die doch einmal kaufen. Kurze Zeit später, ich war bei mir daheim, kamen Fems und Pauler, letzterer mittlerweile wieder fähig zu gehen, bei der Türe herein und hielten mir mit einem Grinsen die Zeitschrift unter die Nase. Schon die erste Lektüre änderte grundlegend alles, was ich über das Wrestling wusste oder zu wissen glaubte. Hier stand nichts geringeres als die unverblümte Wahrheit über alles, was hinter und vor den Kulissen des Wrestlings abging, unabhängig und ungeschönt, quer durch alle bedeutenden Ligen. Spätestens jetzt wussten wir drei, dass wir bislang zumindest Semi-Marks waren. Wir beschlossen sehr schnell, sie zu abonnieren. Poppey, der sich vornehmlich für die recht kurz am Heftende abgehandelten Japan – News interessierte, weigerte sich aber, sich an den Kosten zu beteiligen.
Unsere Begeisterung für das zurück gewonnene Hobby stieg und stieg. Nicht nur bei uns, auch in Amerika waren die Einschaltquoten nie wieder so hoch wie im Frühling 1999. The Rock stieg zum absoluten Superstar auf, Steve Austin fehdete mit der ganzen Mc Mahon – Familie und die Ministry of Darkness verbündete sich mit der Corporation für kurze Zeit zum mächtigsten Stable aller Zeiten, der Corporate Ministry. Es war wirklich eine aufregende Phase, vor allem weil ich mit Fems und Pauler auch noch zwei Leute hatte, mit denen ich über die Geschehnisse, dank der Power Wrestling auch noch neuerdings auf ungeahnt hohem Niveau, nach Herzenslust diskutieren und philosphieren konnte.
Ab Ende des Jahres entstand neben RAW die zweite Sendung, zuerst als Aufzeichnung, später auch live, „Smackdown“, die somit Donnerstags in direkte Konkurrenz zur WCW Show „Thunder“ ging und damit Sunday Night Heat als die zweite bedeutende Wochenshow der WWF verdrängte. Im Gegensatz zu Heat wurde Smackdown zuletzt dann auch noch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt, somit war die Glückseligkeit zwischenzeitlich perfekt, wenn man von der fürchterlichen Zensur, die die Amerikaner für das ausländische Publikum vorsahen, hinwegschauen konnte. Die WCW wiederum verlor weiter an Boden, da sie die bereits angesprochenen Probleme nicht aus dem Weg schaffen konnte und sich die Unzufriedenheit finanzieller Natur bei den Warner Bossen, sowie die sportlicher Art bei den aufstrebenden jungen Wrestlern, die an den Altstars kein vorbeikommen sahen, immer weiter verschärfte.
RTL 2 gab dann nach langem Gezanke (wie über die PW zu erfahren) die Fernsehrechte an den „Frauensender“ tm3 ab, für die Zuschauer änderte sich wenig, Carsten und Günter waren nach wie vor an Bord. Spätestens jetzt viel auf, dass vor allem Carsten prinzipiell jeden Sender in den allerhöchsten Tönen lobte und fürchterlich in den Hintern kroch, für den er gerade arbeitete, ganz gleich, ob in der Vergangenheit etwas ganz und gar schief gelaufen war. Das Jahr 2000 ging genau weiter wie das Jahr davor, auch wenn die Euphorie langsam wieder ein wenig abebbte. Leider, leider verlängerte tm3 den Vertrag mit der WWF nicht über das Jahr 2000 hinaus und somit blieb uns im Jahr 2001 das verwehrt, was sicher als eines der aufregendsten Ereignisse des Wrestlings im Allgemeinen in Erinnerung bleiben wird: Das Ende der WCW und deren Übernahme durch die WWF.

Phase 5: The After Years

Somit endete mit dem ausgehenden Jahrtausend zum einen die langjährige Konkurrenzsituation zwischen WWF und WCW und zum anderen eine bis auf die fast ein Jahr dauernde Abstinenz im Jahr 1998 beinahe zehn Jahre bestehende stete Präsenz der WWF Shows im deutschen Fernsehen. Unser Fenster in die WWF – Welt blieb folglich für noch über ein Jahr nur die Power Wrestling. Es war wirklich bedauerlich. Zwar konnte die WWF den völlig überfüllten Kader der WCW natürlich nicht komplett übernehmen und einige Wrestler wie Sting und zunächst auch Goldberg weigerten sich, unter Mc Mahons Führung zu arbeiten aber das Potential der Show zu dieser Zeit war selbstredend schier gigantisch. Ob DDP, Hall, Nash, Hogan oder Booker T, Mc Mahon konnte auf eine derart hochklassige Starriege zurückgreifen, dass die einzige Frage darin bestand, wie man das am besten präsentieren könnte. Also machte man anfangs das, was am Logischten erschien. Man gründete innerhalb der WWF ein „Team WCW“, das unter der Führung von Shane Mc Mahon gegen die WWF fehdete. Das Problem dabei: Der erhoffte Anstieg der Einschaltquoten blieb aus. Es gab offenbar zu wenig „smartmarks“ wie unsereins. Die reinen WWF – Fans schienen mit der gänzlich neuen Situation überfordert und die wenigen verbliebenden WCW – Nerds wendeten sich ebenfalls ab. Man hielt diesen potentiell natürlich hochwertigen WWF gegen WCW - Angle trotzdem für etwa ein Jahr am Laufen ehe man sich endgültig von der WCW Marke als Teil einer ausgearbeiteten Storyline verabschiedete. Dahingegen ließ man das alte nWo – Stable noch ein wenig vor sich hin köcheln. Bis heute kommt es noch an der ein oder anderen Stelle wieder zum Vorschein, wenngleich natürlich nicht mehr annähernd mit der Bedeutung von einst. Im Jahr 2002 ging schließlich ein langjähriger Rechtsstreit zwischen der World Wrestling Federation und dem World Wildlife Fund zu Ende, bei dem zuletzt der Federation untersagt wurde, das Kürzel WWF in irgend einer Form zu verwenden. Kurzerhand benannte man sich in WWE für World Wrestling Entertainment um. Dies geschah zu Anfang des Jahres. Dann war es auch, dass wir uns entschlossen, das Abonnement für die Power Wrestling zu beenden. In diesem Jahr bekam ich wirklich ungelogen überhaupt nichts mehr mit und es scherte mich auch nicht die Bohne. Es begab sich dann erst im April 2003, dass das alte Tele 5 wieder entstand, wenngleich natürlich runderneuert und nicht mehr mit dem über 10 Jahre zuvor untergegangenen Sender zu vergleichen. Trotzdem fühlte man sich offenbar seiner Vergangenheit irgendwie verpflichtet und es trotzte mir schon ein Lächeln ab, dass gerade auf diesem Sender wieder das Treiben der WWE verfolgt werden konnte. Dass Carsten Schäfer sich daraufhin in nicht enden wollende Lobesarien auf sein geliebtes Tele 5 verstieg erschien nur folgerichtig. Gezeigt wurde lediglich die Show Smackdown in der traditionellen einstündigen Verkürzung. Die Show RAW sowie sämtliche 12 pay per views des Jahres waren ab sofort nur noch über den Bezahlsender Premiere zu sehen. Zweitverwertungsrechte wie früher waren entweder zu teuer oder wurden gar nicht mehr angeboten. Dementsprechend hielt sich meine Freude damals auch in Grenzen. Nach drei oder vier Sendungen hatte ich mein Interesse auch wieder verloren. Was ich aber mitbekommen hatte war, dass sich im Vergleich zum Ende der 90er relativ wenig verändert hatte. Die erwähnenswerteste Neuerung war wohl, dass aufgrund des übergroßen Kaders die Shows RAW und Smackdown vom Personal her komplett getrennt wurden und jede Show ihre eigenen Titel (dazu wurden zum Teil die ehemaligen WCW – Titel verwendet) und auch pay per views hatte. Es wurde zwar sichtlich alles immer zunehmend moderner, die Qualität der Beleuchtung nahm zu, mehr Effekte, mehr Tohuwabohu, aber irgendwie fehlte ein gewisser Reiz, trotz neuer Superstars wie Kurt Angle oder Brock Lesnar. Fems und Pauler hatten im Gegensatz zu mir ihr Interesse in Gänze verloren.
Ende des Jahres begab es sich, dass ich in der Metro einem alten Schulkameraden von der Realschule begegnete, dem Andi Gschwendner. Ich hatte zwar zuvor nichts mit ihm zu tun aber er fiel mir auf, weil er ein „what?“ T-Shirt trug, zu der Zeit ein bekannter Spruch von Steve Austin. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr, dass es in Traunstein doch noch ein paar Leute gab, die sich für Wrestling interessierten und zumindest den ein oder anderen pay per view miteinander ansahen. So kam es, dass wir uns von da an alle paar Monate bis ins Jahr 2008 hinein immer wieder trafen, und das ein oder andere Großereignis miteinander anschauten. Es waren typische Männerabende: Chips, Bier, Wrestling und dumme Sprüche. Das Interesse an der WWE erstreckte sich selten über den jeweiligen Abend hinaus und trotzdem war es eine lustige Möglichkeit, dieser Unterhaltungstradition treu zu bleiben. Leider verschwand auch hier wieder nach und nach das Feuer und wir trafen uns immer seltener, ab 2009 eigentlich gar nicht mehr, zumindest nicht zum Zweck des gemeinschaftlichen Wrestling schauens. Trotzdem kann ich mich wohl rühmen, von allen meinen Bekannten, mit denen ich jemals dieses Hobby in irgend einer Weise geteilt habe am Längsten am Ball geblieben zu sein, denn seit 2008 schon ist es Tradition, jedes Wrestlemania live bei meinem alten Berufsschulfreund Michael Buschbacher, vulgo Bausparer, anzusehen. Auch wenn ich seit langer Zeit die wöchentlichen Shows der WWE – mittlerweile wieder zurück auf DSF, Schleimereien von Carsten inklusive, sowie auch auf Eurosport außerhalb von Carstens Machtbereich – nicht mehr verfolge, Wrestlemania ist immer wieder schon etwas besonderes. Und da es natürlich nicht so ist, dass in der WWE nichts nennenswertes mehr passieren würde hier noch einmal eine kleine Zusammenfassung meiner persönlichen Höhepunkte:

- 2004 die Rückkehr des „Darkman“ nach mehreren Jahren, in denen der Undertaker mit seinem unsäglichen Biker-Gimmick auftrat
- die Rückkehr des Heartbreak Kid Shawn Michaels, der nach langwieriger Rückenverletzung und doch schon etwas betagterem Alter eine unglaubliche Leistung nach der anderen zeigte
- immer wieder hochspannende und dramatische Matches zwischen dem Undertaker und Edge, HBK oder Triple H in den letzten vier Jahren
- das wirklich sehr emotionale Career Ending Match zwischen HBK und Ric Flair
- 2010 Rückkehr von Bret Hart mit Aussprache des geläuterten Shawn Michaels und Fehde mit Vince Mc Mahon, die leider aufgrund der miserablen körperlichen Verfassung des Hitman (Goldbergs Fuß lässt grüßen) aber eher vergessenswert ist

Wrestling ist sehr schnell geworden in den letzten 5 – 10 Jahren, sicher nicht immer hochklassig aber die Action im Ring steht meist wieder im Mittelpunkt, gerade bei Großveranstaltungen und wenn ein Match gut ist, dann ist es meistens auch richtig gut und spannend wie ein Krimi. Deswegen schau ich es mir auch immer wieder und vor allem immer noch gerne an. Bausparer und ich werden dieses Jahr möglicherweise auch den Summerslam mit in unser Repertoire aufnehmen. Wir werden sehen.

Und so komme ich zu dem Schluss, dass ich seit mittlerweile 20 Jahren das Treiben im Wrestling und insbesondere der WWF/WWE mehr oder weniger intensiv verfolge. Kaum jemand anderer kann das von sich behaupten. Ob man darauf stolz sein kann oder darf, das ist eine andere Frage. Ein anderer, der das auch und sogar noch ein wenig länger von sich behaupten kann ist Carsten Schäfer, der seit ebenso langer Zeit uns seine Sicht der Dinge ins Ohr plärrt. Wenn man Interviews mit ihm liest und es nicht besser wüsste, könnte man den Eindruck gewinnen, er hat in über 20 Jahren nicht bemerkt, dass das Geschen im und rund um den Ring gar nicht echt und es auch kein richtiger Sport ist. Das würde zumindest erklären, warum er laut eigener Aussage nach wie vor eine solch unverdrossene Begeisterung für seinen Job an den Tag legt. Womöglich sieht ein Teil von ihm die Show immer noch wie ein Kind, wie ich, als ich so begeistert war wie Anfang bis Mitte der 90iger. Wenn man es so sieht, beneide ich ihn fast.

Obwohl, eigentlich nicht!

3 Kommentare:

Fänt hat gesagt…

netter Text, Moa!
in den Anfangstagen war's halt wirklich so, dass man den Wrestlern die Gimmicks auch noch voll abgenommen hat. Ich dachte wirklich, dass der Undertaker, wenn er grad nicht im Ring steht, auf dem Friedhof arbeitet... ;D

Übrigens war ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Neuausrichtung der WWF Mitte/Ende der 90er Jahre eine kleine Liga aus Philadelphia, die ECW...

Alex hat gesagt…

ja, ich weiß. Aber ich hatte eh schon so viel zu schreiben, dass ich alle anderen Ligen einfach ausgeklammert hab. Sonst wär ich irgendwann vom 100ste ins 1000ste gekommen ;)

Fänt hat gesagt…

Passt schon! Wie gesagt, klasse Text!