Mittwoch, Oktober 17, 2012

# 8: Discworld

Die Geschichte um Discworld ist gleichermaßen die meines unverrückbaren Vertrauens in die „Video Games“ als auch die einer ganz besonderen Memory Card. Doch beginnen wir im Herbst des Jahres 1996.
Nachdem ich kurz vor Schulbeginn nach langem Zureden (ausschlaggebend war wohl letzlich mein „sie ist ja auch noch ein CD-Player - Argument) doch noch mein Sparbuch plündern und mir eine PSX kaufen durfte war ich so selig, wie ein 15jähriger, der sich für das andere Geschlecht nicht besonders interessierte, nur sein kann. Wochenlang spielte ich mir mit „Ridge Racer Revolution“ meine Finger wund, dank Rene Adler kam ich auch noch in den Genuss des originären „Ridge Racer“, „Mario Andretti Racing“ „Need for Speed“ und „Twisted Metal“, wenngleich ich dies zeitlich nicht mehr genau einzuordnen vermag. Ich zockte, wann immer ich Gelegenheit dazu hatte. Allerdings war mir dann irgendwann klar, dass ich auch meine eigene Spielesammlung erweitern wollte. Und was wäre als Anreiz dafür besser geeignet, als in der Video Games nach einem Spiel mit einer „90er“ Wertung zu suchen. Richtig! Nichts! Es dauerte nicht lange, da fand ich es auch schon: Discworld!
Im Test war von überragender Sprachausgabe und einem fantastischen Witz die Rede. Außerdem wollte ich immer schon mal ein Grafik – Adventure spielen. Ich kratzte sodann mein Taschengeld zusammen, fuhr zum Spielwaren Moser und kaufte es mir. Ich weiß noch, es war ein Sonntagmorgen. Noch vor dem Frühstück stand ich früh auf, legte die pechschwarze Disc in sein graues Mutterschiff und ab ging die Post....so dachte ich.
Nach einem ca. halbstündigen Vorspann fand ich mich endlich in Rincewinds Zimmer wieder und hatte nun Kontrolle über ihn. Sein Begleiter „Truhe“ befand sich schlafend auf dem Schrank und war nicht wach zu kriegen. Ich verließ also das Zimmer, klickte mich in der Akademie der magischen Künste von einem Raum, von einem Dialog zum nächsten, fand in einer Abstellkammer einen Besen und ging mangels weiterer Schlüsselszenen wieder zurück in mein Zimmer. Ich versuchte mehr aus Interesse mit dem Besen und „Truhe“ zu interagieren und prompt wurde er damit durch mehrfaches Klopfen aufgeweckt. Juhu, ich hatte soeben mein erstes Rätsel gelöst. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste war, dass es auch das letzte gewesen sein sollte. Ich zog weiter durch die Hallen, ging raus in den Garten, war von der bildhübschen Grafik und der Atmosphäre entzückt und versuchte, weiter zu kommen. Es sollte beim Versuch bleiben. Egal was ich auch anstellte, ich schaffte es nicht, das Akademiegelände zu verlassen. Erster Frust kam auf. Nach mehreren Stunden gab ich auf und schaltete das Gerät ab. Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Besitz einer Memory Card...
Mir wurde sehr schnell klar, dass ich ohne eine solche dieses Spiel nicht wieder zu beginnen brauchte, also führte mich mein Weg erneut nach Traunstein und zwar in einen ganz speziellen Videospielladen, bei dem ich mich für diesen Kauf am rechten Ort wähnte, den „Space Invader“ in der (mittlerweile) Rosenheimer Straße. Obwohl ich den Laden selbstredend unheimlich geil fand, so traute ich mich trotzdem nicht so gern hinein, da es vor „coolen“ Typen, die einem Pimpf wie mich nur schräg anschauen konnten, dort meist nur so wimmelte. In diesem Fall machte ich aber natürlich eine Ausnahme, denn eine Memory Card musste her. Hinein in den Laden, ein paar Mark über den Ladentisch und das kleine graue Ding war mein. Als ich daheim war steckte ich sie siegesgewiss in den dafür vorgesehenen Port über dem Controller und wollte sogleich Discworld damit starten, doch dann geschah etwas unvorhergesehenes. Das Spiel war plötzlich nicht mehr zu steuern, der Bildschirm flackerte und das Steuerkreuz reagierte nicht mehr richtig. Nachdem ich unter anderem feststellte, dass dies bei Ridge Racer Revolution auch nicht anders war, kam ich zu dem Schluss, dass es wohl an der Memcard liegen musste. Wütend versuchte ich sie an Port Nr. 2 und siehe da, plötzlich war wieder alles in Ordnung. Mit düsterer Miene aber zumindest zwischenzeitlich zufrieden gestellt machte ich mich wieder an Discworld heran, dieses mal allerdings mit einem kleinen Helferlein, nämlich dem Cheats-Teil einer etwas älteren Video Games – Ausgabe, die mir haarklein beschrieb, mit welchem Schritt die Rätsel zu lösen seien. So machte ich mich also an, ein Grafik-Adventure auf eine Art zu spielen, dass sich Ron Gilbert – angenommen er wäre schon dahingeschieden – im Grabe drehen würde. Ein Rätsel nach dem anderen klapperte ich Stück für Stück ab, erfreute mich an den schönen Zeichnungen, den witzigen Dialogen und glaubte, dass Spiel zu verstehen. Nach etwa 2 bis 3 Stunden Spielzeit war der erste Akt abgeschlossen und ich speicherte das Spiel. Ganze 8 der vorhandenen 15 Blöcke belegte das Spiel auf der Memcard doch immerhin konnte ich mir nun eine wohlverdiente Pause gönnen. Ein paar Tage später, vom Mittagessen gestärkt und erneut mit der den Discworld-Rätseln gnadenlos umgehenden Video Games bewaffnet, sollte mindestens Akt 2 überwunden werden. Ich startete das Spiel, ladete die Daten von der Speicherkarte und......nichts. Wie? Nochmal! Doch wieder das selbe Ergebnis. Mit dem schlimmsten rechnend überprüfte ich die Daten auf der Karte und tatsächlich: Keine belegten Blöcke vorhanden. Mein darauf folgender Urschrei weckte wohl sämtliche Nachbarn aus ihren unverdienten Mittagsschläfchen und übertraf in der Lautstärke wohl noch jenen von einem halben Jahr zuvor, der mir ob einer Niederlage beim Super Street Fighter 2 Turnier mit der Verwandtschaft entfuhr, welcher mir sowohl die Mißgunst meiner Mutter als auch ein defektes Super Nintendo Ascii Pad einbrachte, welches ich im Zuge dessen wutentbrannt auf die Bettkannte schmetterte (gezielt habe ich auf den Kopf von meinem Cousin). Mit einer konservierten Zornesröte im Gesicht betrat ich – dieses mal ohne Bedenken etwaige abschätzige Blicke der „Coolen“ auf mich zu ziehen – erneut den Space Invader und konfrontierte den Ladenbesitzer Olli mit meinem schrecklichen Schicksal und meiner Reklamation. Olli, mehr am Verzehr seiner beiden Salamisemmeln interessiert als an meiner herzergreifenden Geschichte, war dann immerhin so entgegenkommend, die Karte zurück zu nehmen, sich darum zu kümmern und mir dann Bescheid zu geben, wenn ihre Funktionstüchtigkeit wieder hergestellt war. Es ist wohl kaum überraschend zu erwähnen, dass es mehreren Nachfragens bedurfte, bis ich sie wieder zurück bekam. Genüsslich wie immer auf seiner Semmel kauend versicherte er mir, die Karte überprüft zu haben und dass sie nun sicher funktionieren würde. Auch wenn mir der Anblick seiner dickleibigen Gestalt kaum mehr so wie früher Freude bereitete, so hatte ich zumindest nach wie vor ein Vertrauen in seine Kompetenz und ging, trotz meiner vorhergegangenen Enttäuschungen, frohgemut nach Hause um mich erneut Rincewinds Abenteuer zu stellen. Rein mit der Memory Card, Spiel gestartet und.....wieder ging das Geflacker los. Außer mir vor Wut steckte ich das Gerät erneut in Port 2 und wieder funktionierte es dort zumindest dergestalt, dass das Geflacker aufhörte. Um nicht erneut in die Verlegenheit zu kommen, nach mehreren Spielstunden um die Früchte meiner Arbeit (ja, so emfand ich den Konsum von Discworld mittlerweile) gebracht zu werden, testete ich die Funktionalität der Memory Card zuerst mehrere male aus und jedes mal wieder waren die 8 Blöcke auf der Karte genauso vorhanden wie sie es sollten. Bei meinen Freunden, allen voran von Fems, musste ich mir schon Spott gefallen lassen, warum ich schon wieder zu diesem Trottel gegangen war und mir nicht eine normale Sony – Memorycard gekauft hätte. Ja, ich gestehe: zu diesem Zeitpunkt war es mir allenfalls peripher aufgefallen, dass es sich nicht um eine Karte von Sony sondern um eine von der Firma „Dataflash“ handelte. Fems Spruch war damals immer „braver junge Bremswind“, der ganz am Anfang vom Spiel vom Leiter der Universität gesagt wird und da er dies zwangsläufig wegen der Speicherproblematik öfter hören musste, blieb ihm das im Gedächtnis haften – bis heute übrigens! Zurück zu Discworld.
Nachdem ich mich zu vergewissern geglaubt hatte, dass die Karte – mehr schlecht als recht zwar, aber immerhin – ihre Arbeit verrichtete, machte ich mich erneut an, das erste Kapitel zu beenden und das Spiel zu speichern. Ein paar Tage später – ihr ahnt es schon – war ich, vom in Rage sein zwischenzeitlich ermüdet, den Tränen nahe, denn, wie hätte es auch anders sein können, waren die Daten erneut wie von Zauberhand verschwunden. Fürs erste war nun Schluss, ich hatte genug von Rincewind, Discworld, Terry Pratchett, der dämlichen Synchronstimme von Tom Hanks im Spiel und vor allem von dieser vermaledeiten Dataflash Memory Card. Einige Wochen vergingen und mein Zorn verschwand allmählich wieder. Zurück zum Wurstsemmelzermalmer wollte ich genau so wenig, wie mir eine anständige Memory Card kaufen, denn bei sage und schreibe 25 D-Mark Taschengeld im Monat!!! überlegt man es sich zwei mal, wofür man sein Erspartes ausgibt. Da ich der Scheibenwelt den Sieg in diesem Machtspiel partout nicht gönnen wollte blieb mir folgerichtig nur eine Lösung übrig: Ich musste es in einem Aufwasch erledigen. Es war ein Mittwoch oder ein Donnerstag während der normalen Schulzeit, an dem wir keine Hausaufgabe auf hatten; da knöpfte ich mir dieses Spiel, das zweifelsfrei einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war, vor. Unbarmherzig kämpfte ich ein Kapitel nach dem anderen nieder. Missachtete Hungergefühl, das Kopfschütteln meiner Mutter und allen voran die stetig wachsende Unlust bis ich endlich – ENDLICH! - nach wohl so um die 8 Stunden den Abspann bewundern durfte. Ein Spaß war das nicht, soviel kann ich jedem sagen. Wie diese Geschichte für jemanden klingen mag, der keinen Bezug zu Videospielen hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Damals hatte ich, einige werden es verstehen, schlichtweg keine andere Wahl.
Die Scheibenwelt war vom Drachen gerettet und ich konnte wieder ruhig schlafen. Mein blindes Vertrauen in die Wertungen der Video Games war von nun an allerdings dahin. Sollte dies die Moral der Geschichte sein, so hatte es schließlich doch etwas Gutes.

Nachtrag:
Zu Allerheiligen (für alle Atheisten und evangelischen Heiden: der 1. November) 2010 kam Fems auf die Idee, doch mal wieder Discworld aus dem Regal zu holen. Etwas skeptisch war ich schon, aber gegen aufkeimende Nostalgie war noch selten ein Zockerkraut gewachsen. Nachdem die „Gräberrally“ erledigt war lief ich mit der guten alten Video Games aus dem Jahre 1996 im Gepäck sodenn im Hause Fems ein, wobei dieser aber der Meinung war, es wäre Zeit, das Spiel auf die ursprünglich angedachte Weise zu spielen und von einer solch frefelhaften Lösungshilfe Abstand zu nehmen. So fingen wir also an....und beendeten das Experiment einvernehmlich wieder nach wohl nicht einmal 2 Stunden. So ist das meist mit nostalgischen Erinnerungen. In den meisten Fällen sind sie dort, in den Niederungen des Bewusstseins, gut aufgehoben und sollten auch gut und gerne dort verweilen.

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