Samstag, Februar 10, 2007

Des Günthers neue Kleider

Wie ich ja schon öfters erwähnt habe, bin ich ein großer Fan von Videospielen. Diese stehen vor allem aufgrund des jüngsten Amoklaufs in Emsdetten erneut sehr stark in der Kritik. Vor allem Bayerns Innenminister Günther Beckstein nimmt in der Diskussion kein Blatt vor dem Mund, dass er Killerspiele für abscheuliches Teufelszeug hält, das keinerlei Daseinsberechtigung hat. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, als wolle er künftig selber entscheiden, welches Spiel für die Öffentlichkeit geeignet ist und welches besser nie ein Deutscher Mensch zu Gesicht bekommt. Die Frage ist, wie er dieses Prüfverfahren künftig bewerkstelligen will.

Mir schwebt dabei folgendes Szenario vor.

Günther kommt eines schönen Montags schlecht gelaunt in sein Büro (sei es als Innenminister oder Ministerpräsident von Bayern). Schlecht gelaunt deshalb weil er am Wochenende die Ministeriale Schützenmeisterschaft gewonnen hat und somit seine komplette Belegschaft am Samstagabend freihalten musste. Seine Laune wird weder durch die netten Morgengrüße seiner Mitarbeiter (warum Grüßen die eigentlich so freundlich?) und schon gar nicht durch den gewaltigen Aktenberg in seinem Posteingang auf seinem PC-losen Arbeitsplatz gehoben.

Im selben Moment machen sich 20 nicht weniger schlecht gelaunte Ex USK-Mitarbeiter auf den Weg ins Arbeitsamt Berlin. Aber das ist eine andere Geschichte....

"Naja, hilft ja nix" denkt sich Günther und stürzt sich mehr oder weniger wild auf seinen Posteingang. "Was haben wir denn da?" überlegt Günther als er ein Videospiel mit der Aufschrift "Final Fantasy XII" ganz oben auf dem Stapel findet. Da bessert sich plötzlich Günthers Laune, denn ein paar Wochen zuvor hat er über seine Männer im Bundestag endlich den Jugendschutz vor Killerspielen in die einzig kompetenten Hände dieser Republik legen lassen, die seinen!
Da der Günther seine Arbeit aber natürlich ernst nimmt hat er sich von seiner nicht PC-losen Sekräterin ein Excel-Sheet anfertigen lassen, mit dessen Hilfe er diesen "Spielen" die es in seiner Jugend Gott sei Dank! noch nicht gegeben hat auf den Zahn fühlen will. "Fein hat Sie das gemacht", denkt sich Günther, als er das Sheet betrachtet. Eine schöne zweispaltige Tabelle, sogar mit vertikalem Trennstrich in der Mitte. Auf der linken Seite steht "Gut für Kinder" auf der rechten "Schlecht für Kinder". Was man mit diesem neumodischen Computerzeugs nicht alles machen kann heutzutage, nimmt Günther lippenschürzend zur Kenntnis und fragt sich mit nostalgisch wehmütigen Blick auf seine alte Adler - Schreibmaschine, ob er das nicht auch mit ihr hinbekommen hätte. Den Gedanken im Hinterkopf behaltend macht er sich sodann ans Werk und wirft einen prüfenden Blick auf die Rückseite der Verpackung des Spiels. Nachdem ihm Erna (so heißt seine Sekretärin) noch den Bleistift gespitzt hat fängt er an, den Text hinten zu lesen und sich Kreuzchen auf seiner komplexen Tabelle zu machen.

Erkunden Sie eine Welt voller GEFAHREN... -> Erstes Kreuz bei schlecht

Eine Unzahl an MONSTERN und WILDEN KREATUREN wird Ihnen auf Ihrer Reise begegnen.... -> Zweites und drittes Kreuz bei schlecht

Bekämpfen Sie diese Horden mit SCHWERT, GEWEHR und VIELEN ANDEREN FANTASTISCHEN NEUEN WAFFEN... -> "Das ist ja wohl der Gipfel" denkt sich Günther: Pauschal fünf Kreuze bei schlecht

Schließen Sie FREUNDSCHAFTEN mit einer Vielzahl von Charakteren.... -> Ja ja, Freunde sind wichtig, weiß Günther aber leider bleiben sie dir nicht ewig treu. Früher oder später wollen sie ja doch nur dein Geld, deine Frau oder deinen Job und macht leicht beschämt in sich hinein grinsend ein weiteres Kreuz bei schlecht

Die erste Bilanz zeigt also null Kreuze bei "Gut für Kinder" und sage und schreibe neun Kreuze bei "Schlecht für Kinder". Sehr zufrieden mit sich selbst greift Günther in seine Aktentasche, zieht eine Thermosflasche hervor und schenkt sich den herrlich duftenden Kaffee, den ihm seine Frau immer macht in seine "Schütze"-Kaffeetasse ein. "Sie ist wirklich ein gutes Mädchen, aber die Brühe kannst echt nicht saufen" pflegt Günther in der Kantine regelmäßig seine stets zustimmend nickenden Mitarbeiter über Ernas dürftige Kaffeekochkünste zu informieren.

Sodann macht sich Günther wieder an die Arbeit und öffnet zum ersten mal in seinem Leben die Schachtel eines Videospiels. Aha, des ist ja eine Dä Vau Dä sagt Günther zu sich selbst mit dem selbstbewussten Blick eines Mannes, der davon überzeugt ist, gerade etwas sehr kluges gesagt zu haben. Obwohl er die Scheibe sowohl vorne als auch hinten mit einer Lupe absucht, findet er trotz größter Mühen nichts mehr, was ein weiteres Kreuz auf der "Schlecht für Kinder" Seite rechtfertigt. "So ein Mist", denkt sich Günther. Soll es das etwa schon gewesen sein? Obwohl Günther davon überzeugt ist, dass der Inhalt des Spiels kaum mehr Kreuzchen auf der anderen Seite zulassen dürfte, will er sich trotzdem nicht sagen lassen, er hätte seine Arbeit nicht anständig gemacht. Also fasst er einen Entschluss....

Eine halbe Stunde später befindet sich Ernas PC auf dem Arbeitsplatz von Günther. Erna darf sich dafür die alte Adler-Schreibmaschine mit ins Vorzimmer nehmen. "Wirst schon sehen, die geht genauso gut" komplimentiert er sie hastig aus dem Zimmer.

Nachdem ihm ein fahlgesichtiger IT-Mann (über die Mittagspause) mit PC-Grundkenntnissen ausstattete, kann es endlich losgehen. Ein sanfter Druck auf eine Taste lässt den Dä Vau Dä Schuber herausfahren, Günther legt das Spiel siegesgewiss hinein und betätigt den Knopf erneut. Nach etwa einer Stunde lässt der entnervte Günther erneut den fahlgesichtigen IT-Mann antanzen, der ihm mit mechanischer Gleichmütigkeit erklärt, dass man Spiele für die Playstation 2 nicht auf dem PC spielen kann. Eine halbe Stunde später sind der PC sowie die Adler-Schreibmaschine (aus der Erna ihr Kündigungsschreiben gerade noch rechtzeitig entfernen konnte) wieder an ihren alten Plätzen und Günther sitzt starr mit verschränkten Armen in seinem Lehnstuhl. So hat er sich das ja nun wirklich nicht vorgestellt. Das kann doch nicht so schwer sein. Zwar hat er mit den Gedanken gespielt, sich von Herrn Untermaier (den IT-Mann) eine Bläähstääähschn besorgen zu lassen, aber auf eine nochmalige technische Unterweisung bei der er ja am Ende doch nur Bahnhof versteht, hat er heute wahrlich keine Lust mehr.

Entmutigt wirft er das Spiel wieder auf den Posteingangshaufen, als ein Zettel herunterfällt, der unter der Verpackung lag und den Günther vorhin noch nicht bemerkt hatte. Während er ihn liest, stellt sich wieder das verschmitzte Lächeln auf seinem Gesicht ein. Es war ihm entfallen, dass er ja jüngst veranlasst hat, das jedem Spiel bereits ein kleiner Kontrollbericht der Bildzeitung beigefügt werden muss. Da fällt ihm ein großer Stein vom Herzen.

Nachdem er durch den Bericht unter anderem erfährt, dass der Protagonist des Spiels "ohne Gnade tötet" ist für ihn die Sache endgültig klar. Final Fantasy XII ist ein Killerspiel, das weder in den Händen von Kindern noch von Erwachsenen etwas zu suchen hat. Günther ist sehr zufrieden mit sich. Der Jugendschutz ist in seinen Händen bestens aufgehoben.

Als er sich gerade noch einmal einen Kaffee eingießen will, klopft es an der Tür. Er bittet Erna herein, die ihm eine Mappe mit einer Rede übergibt. Ach ja, er hat ja gleich noch einen Termin an der Technischen Universität.
Er hält einen Vortrag vor den Studenten. Über die Wichtigkeit des technischen Fortschrittes in Bayern.

1 Kommentar:

Brubaker hat gesagt…

Respekt!

Sehr treffend und urkomisch.

Ich bitte um Veröffentlichung.