Montag, September 29, 2008

Deutscher Herbst im Kino

Gestern sah ich im Kino den Film "Der Baader Meinhof Komplex" und ich muss sagen, dass ich schwer beeindruckt bin. Eigentlich ist dies falsch formuliert. Ich müsste eigentlich sagen, die Charaktere haben einen schweren Eindruck bei mir hinterlassen. Nach der Premiere musste sich der Film vor allem von der alternden Politprominenz herbe Kritik gefallen lassen. Als ich letzte Woche bei Anne Will Alt - SPD-Chef Hans-Jochen Vogel reden hörte, dachte ich mir, der Mann solle die Sache nicht ganz so ernst sehen, die Argumente der Schauspieler, dass ein Film auch die Täterseite erzählen darf, stand er doch recht uneinsichtig gegenüber. Zu einseitig sei die Erzählperspektive, zu kurz kämen die schrecklichen Schicksale der Opfer. Jetzt, nachdem ich ihn selber gesehen habe, muss ich dem Mann recht geben. Zumindest wenn ich mich in seine Haut hinein versetze.
Natürlich muss ein Film eine Geschichte aus einer Täterperspektive erzählen dürfen.
Dabei hätte es sich der Film viel einfacher machen können, nämlich dann, wenn der Einstieg nicht gleich so hart gewesen wäre, denn die Geister scheiden sich sogleich zu Beginn. Dann nämlich, als unzählige friedliche Studenten gegen den Besuch des Schahs demonstrieren und zuerst von gecasteten Schah-Befürwortern und dann auch noch von den Polizeikräften brutal zusammen geschlagen werden. Der folgerichtige Tod des Stundenten Benno Ohnesorgs, der ja als einer der ausschlaggebenden Punkte für den bewaffneten Terrorismus gilt, spielt hier emotional für den Zuschauer gar keine allzu große Rolle mehr. Man hat sich ohnehin schon der Studentenbewegung angeschlossen.
In der Folgezeit sieht man die Erzählung hauptsächlich aus der Perspektive von Ulrike Meinhof, die sich anfangs viele Gedanken macht und sich sichtlich schwer tut, sich mit den bedingungslosen Methoden von Baader und Ensslin zu identifizieren. Dadurch, dass Meinhof die tragende Figur ist, fällt es einem nahezu leicht, sich ihr und somit der gesamten RAF emotional anzunähern. Problematisch wäre das ganze bei einer fiktiven Erzählung keineswegs, dass sich die Opfer, aber auch Politiker aus dieser Zeit zumindest auf den Schlips getreten fühlen, verwundert aber nicht.

Während die zunehmende Gewaltdarstellung und Kaltblütigkeit der gesamten RAF zwischenzeitlich eine gewisse groteske Abwehrhaltung des Publikums hervorruft, ist man später im Gefägnis wieder ganz auf Seiten Meinhofs. Man fühlt die Einsam- und Hoffnungslosigkeit ihrer Einzelhaft mit, man leidet mit ihr, wenn sich die Gruppe in Stammheim zunehmend von ihr distanziert und zuletzt fühlt man auch den Schmerz den sie empfindet, wenn die Richter ihre Signale nicht zu deuten in der Lage sind, dass sie sich auch emotional von der Gruppe gelöst hat.

Währenddessen morden die noch frei herumlaufenden RAFler der 2. Generation stakkatoartig weiter. Diesen Mördern kann man sich aber emotional genauso wenig annähern wie Baader oder Ensslin. Sie wirken einfach schlicht und ergreifend verrückt, ihre Motive sind unter keinen Umständen nachvollziehbar.

Wer die Geschichte kennt, weiß, dass die Insassen alle Selbstmord begehen und das Morden (vorerst) ein Ende nimmt.

Als ich das Kino verlasse fallen mir die Worte Vogels wieder ein. Als ich darüber nachdenke muss ich zweifelsfrei zugeben, dass mir die dargestellte Ulrike Meinhof als positiver Mensch im Gedächtnis bleibt. Und auch wenn ich dadurch meine Einstellung zur Obrigkeit auch der damaligen Zeit nicht in Frage stelle, so gibt mir dieses Gefühl dennoch zu denken. Dieser seltsame Beigeschmack haftet "Der Baader Meinhof Komplex" zumindest an.

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