Samstag, Juni 13, 2009

Analogkäse

Wer in letzter Zeit einmal die Zeitungen, ja die Medien Allgemein ein wenig verfolgt hat, dem wird sicher kaum entgangen sein, dass im Moment ein Thema wie kaum ein anderes in den Schlagzeilen zu finden ist. Hierbei handelt es sich um etwas derart Schreckliches, dass selbst die einsam im Atlantik vor sich hin verwesenden Leichen des Airbus-Unglückes sich geschlagen gebend auf Seite 2 treiben.
Die Rede ist von nichts geringerem als dem Schlächter des guten Geschmacks selbst, dem Mörder jeder Ernährungsethik - dem ANALOGKÄSE.
Leute, ganz ehrlich. Wenn ich die Wahl habe, mich zwischen einem echten Käse und einem Kunstkäse entscheiden zu dürfen, werde ich mit Sicherheit den echten Käse wählen, selbst dann, wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass mir das Kunstprodukt besser schmecken würde. Was mir so unglaublich gegen den Zeiger geht ist, dass sich so viele Leute darüber aber immer so aufregen müssen, von dem unglaublichen Brimborium seitens der Medien, allen voran neulich bei Johannes B. Kerner im ZDF - aber dazu später noch mehr - einmal ganz abgesehen.
Jetzt mal ein wenig allgemeiner:
Kann mir einmal jemand erklären, warum Leute immer alles besser zu wissen glauben, insbesondere dann, wenn es um Themen geht, von denen sie keine Ahnung haben? Ich verstehe das alles einfach nicht. Wenn ich hier und heute für irgendetwas bin und dafür lauthals eine Stellung einnehme, dann will ich doch über dieses Thema bescheid wissen, oder etwa nicht? Was kriegt man denn für eine Antwort, wenn man Leute befragt, die sich gegen Gentechnik in Lebensmittel einsetzen, warum sie da dagegen sind.? Einen Scheiß wissen die, das sag ich euch. Die stellen sich vor, dass ihr Enkel einmal mit 6 Fingern an der Hand geboren wird, weil sie einmal Genmais gegessen haben. Wie dieser hergestellt wird, was oder wie an dieser "Genetik" etwas geändert wird, davon haben diese Leute doch überhaupt keine Ahnung. Aber das schlimme ist doch: Es interessiert sie gar nicht. Hauptsache dagegen dagegen dagegen. Immer ist alles negativ, immer ist alles schlecht. Atomkraft: schlecht, Kohlekraftwerk: schlecht, Rente mit 67: schlecht, Erhöhung der Rentenbeiträge: schlecht, Arbeit sämtlicher Politiker: schlecht. Und so weiter und so fort.
Es ist leicht immer alles schlecht zu finden und sich selbst aber nicht einmal Gedanken darüber zu machen, was man denn tun könnte, damit es besser wäre. Ich kann diese ewige destruktive Rumnörglerei einfach nicht mehr hören. Aber ein Wunder ist das nicht. Wie die Medien in fast schon perverser Art sich an dieser tendenziösen Meinungsbildung beteiligen sah ich erst neulich bei der bereits erwähnten Sendung Johannes B. Kerner.
Dass die Gäste in Ihrer Ausrichtung ohnehin nicht selten so gewählt werden, dass irgend ein wehrloses Opferlamm auf Biegen und Brechen geschlachtet wird ist ja nichts Neues - man erinnere sich nur an die verbalen Attacken von allen Seiten gegen Eva Hermann, der zu einem zugegebenermaßen schwierigen Thema praktisch keine Chance gegeben wurde, sich zu rechtfertigen und jeder Ansatz hierzu im Keim erstickt wurde. Wie sehr sich ein Johannes B. Kerner aber in seiner unerträglich populistischen Art auf Seiten der "Massenmeinung" schlägt, nimmt schon fast groteske Züge an. Als Kerner mit zwei fertig gebackenen Tiefkühlpizzen, jeweils eine mit richtigem, eine mit dem künstlichen Käse, durchs Puplikum zum Verteilen geht, lässt er schon zu Beginn keinen Zweifel daran, auf wessen Pizza sich welcher Käse befindet. Welche Pizza dann anschließend vom Puplikum als die "Bessere" eingestuft wird, wird wohl keinen mehr gewundert haben. Diese Aktion konnte ich ja gerade noch verkraften. Als dann einer der beiden Ernährungsexperten unter den Gästen beim Verzehr der "falschen Pizza" unverkennbar künstliche Würggestiken produzierte und geradezu Richtung Regie um einen Kotzkübel bat, wurde ich schon etwas wütend. Als aber zu guter Letzt Kerner mit seinem selbstgerecht in die Kamera posierenden Grinsen verkündet: "Nein, bei aller Liebe, sowas werde ich wirklich nicht essen", ist es bei mir endgültig aus.
Jeder Satz des Industriellen, der lediglich verteidigte, dass die Deklaration dieses Analog-Käses, so wie sie auf der Verpackung von Lebensmitteln zu finden ist, per Gesetz rechtens sei wurde mit dauerhaften Buh-Rufen des Puplikums quittiert. Jeder populistische Scheiß - sogar für den guten alten "manche Zutaten kann man ja nicht einmal mehr Aussprechen" - Gassenhauer war man sich nicht zu schade - von Kerner und seinen Spießgesellen geradezu frenetisch beklatscht.
In diesem Moment spielt es für mich gar keine Rolle mehr, wer recht hat und wer nicht. Auf ein solches niedriges Niveau darf sich ein öffentlich rechtlicher Sender, der meiner Ansicht nach gerade zu solcher Uhrzeit auch seinem Bildunsauftrag gerecht zu werden hat, nicht herunter begeben. Und traurig ist auch, dass die meisten Menschen diesen Schwachsinn wieder einmal nicht durchschauen, sich "vom Staat und der Industrie" überrumpelt und betrogen fühlen und - wie so oft - ohne sich viel Gedanken zu machen, einfach mal gegen Analog-Käse sind. Ich bin auch dagegen.

Gegen soviel Blödheit.

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